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Elfenblick

Elfenblick

Titel: Elfenblick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Lankers
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unverwandt an, bis es Mageli ganz unangenehm wurde und sie ihren Blick stattdessen auf einen der Tunnel richtete.
    Plötzlich fühlte sich ihr Kopf ganz leer an. Und dann sah sie ein verschwommenes Bild: eine Höhle, die von einem riesigen See ausgefüllt wurde. Das glasklare Wasser schwappte gegen die felsigen Wände, kein Weg führte um den See herum, auf dessen gegenüberliegender Seite ein breiter Wasserfall herabrauschte.
    Verwirrt schüttelte Mageli den Kopf, um dieses fremde Bild zu vertreiben. Sie hatte die Höhle und den See noch nie zuvor gesehen. Ihr Blick blieb an einem anderen Tunneleingang hängen – und sofort hatte sie wieder ein Bild im Kopf. Ein enormer Berg aus Steinbrocken, ähnlich dem, der den Eingang zu diesem Tunnelsystem in der Höhle auf ihrer Lichtung versperrt hatte. Plötzlich verstand Mageli, was sie sah. Die Bilder in ihrem Kopf zeigten ihr, was am Ende der jeweiligen Tunnel lag.
    Schnell drehte sie den Kopf weiter zum nächsten Tunnel. Wieder ein Berg aus Steinen. Beim darauffolgenden Tunnel erblickte sie eine Höhle voller Tropfsteine, kleiner, aber mindestens ebenso schön wie die, durch die Mageli gekommen war. Beim Gedanken daran, was ihr in der Tropfsteinhöhle passiert war, bekam Mageli eine Gänsehaut. Von Tropfsteinhöhlen hatte sie für ziemlich lange Zeit genug. Der Gang, auf den sie als Nächstes blickte, führte erneut zu einem Berg von Steinen. Ob das alles Ausgänge in die Menschenwelt waren?
    Schließlich war nur noch ein Tunnel übrig. Zögernd drehte Mageli sich um. In ihrem Kopf entstand ein Bild von einer Gruppe von Menschen – nein, Elfen –, die auf und ab liefen. Das Bild war sehr unscharf und aus weiter Ferne entstanden, so als hätte der Betrachter sich nicht getraut, näher heranzugehen. Sie kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können, da verschwand das Bild und sie blickte auf den dunklen Tunneleingang.
    Da lang!, dachte sie erleichtert und gleichzeitig mit einem mulmigen Gefühl. Sie griff nach ihrem Rucksack und entdeckte die Eidechse, die sie noch immer aus ihren gelben Augen anstarrte.
    »Du hast mir diese ganzen Bilder gezeigt! Aber wie ist das möglich? Kannst du zaubern?«
    Die Eidechse stieß ein zischelndes Geräusch aus, als würde sie über Mageli lachen. Dann drehte sie um und verschwand in dem Tunnel, aus dem sie gekommen war.
    »Danke auf jeden Fall«, rief Mageli ihr hinterher.
    Sie hatte es ja gewusst! Der Weg, den die Bilder der Eidechse ihr gewiesen hatten, führte sie in den engen Tunnel mit den schleimig bewachsenen Stufen.
    Hinterher hätte Mageli nicht sagen können, wie sie es geschafft hatte. In ihrer Erinnerung bestand der ganze Weg aus einer endlosen Treppe, die sie Schritt für Schritt hinabstieg. Und wieder hinauf. Und wieder hinab. Und wieder hinauf … Mühsam setzte sie einen Fuß vor den anderen. Mal rutschte sie aus und schlug hart auf den Kanten der Stufen auf, mal krallte sie sich in den schmierigen Flechten fest und spürte ihre Fingernägel an dem rauen Stein zerbrechen, den die Pflanzen bedeckten.
    Als die Stufen endlich endeten und in Mageli die vage Hoffnung aufkam, dass sie endlich, endlich am Ziel war, begann der Gang sich plötzlich zu drehen. Zuerst dachte Mageli, ihr Kreislauf hätte schlapp gemacht und sie würde in Ohnmacht fallen. Aber ihr wurde weder schwarz vor Augen, noch sah sie Sterne oder verlor das Bewusstsein. Der Gang drehte sich einfach weiter, rotierte um sie herum, mal in die eine, mal in die andere Richtung, immer schneller, immer schneller, und obgleich Mageli die irrsinnig schnelle Bewegung sah, konnte sie sie nicht spüren. Dennoch geriet ihr Gleichgewichtssinn so durcheinander, dass sie auf allen vieren weiterkriechen musste, um nicht hinzufallen. Sie schloss die Augen, und nun konnte sie die Bewegung auch spüren. Es fühlte sich an wie in einem dieser Karussells auf der Kirmes, in denen man so heftig durchgeschüttelt wurde, dass man nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Ihr wurde übel und sie fing an zu würgen, doch in ihrem Magen gab es nichts, was sie hätte ausspucken können.
    Schließlich spuckte der Tunnel sie aus – eine bessere Beschreibung dafür fiel ihr nicht ein. Als wäre der Tunnel mit ihr fertig, wurde Mageli auf einmal durch eine unsichtbare Barriere gepresst. Es fühlte sich an wie eine Wand aus glibbrigem Wackelpudding und war so schnell vorbei, dass Mageli keine Zeit hatte, darüber nachzudenken, was es wohl wirklich war.
    Und dann lag sie einfach nur da.

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