Elfenblick
sie hatte quälenden Durst. Wie lange überlebte noch mal ein Mensch – ach nein: eine Elfe! –, wie lange überlebte eine Elfe ohne Wasser? Mageli wusste darauf keine Antwort.
Entmutigt blickte sie sich um. Die Höhle war winzig im Vergleich zu den beiden vorherigen. Eigentlich war es kaum mehr als eine Wegkreuzung, von der insgesamt sieben Gänge abzweigten. Durch einen davon war sie gekommen. Der schied schon mal aus. Blieben immer noch sechs.
Sollte sie jeden dieser Tunnel ausprobieren, um den Weg ins Elfenreich zu finden? Die Vorstellung war absurd! Was, wenn alle in die Irre führten? , dachte Mageli verzweifelt. Aber sie schob den Gedanken schnell beiseite. Einer dieser Gänge musste ins Elfenreich führen. Ganz bestimmt. Nur welcher?
Mageli rappelte sich mühsam auf, um die Tunnel genauer zu untersuchen. Die ersten drei Gänge ähnelten dem, durch den sie anfangs gekommen war: Sie waren hoch und breit gebaut und von den winzigen Schimmersteinchen gut beleuchtet. Die nächsten beiden bestanden aus felsigem Gestein und waren enger als die anderen. Mageli dachte an ihre schmerzhafte Begegnung mit den scharfen Kanten und zuckte unwillkürlich zurück. Doch der letzte Tunnel war eindeutig der am wenigsten einladende:
Er war nicht nur eng und niedrig, sondern auch mit den gleichen schleimigen Pflanzen bewachsen wie der Gang, durch den sich Mageli zuletzt gezwängt hatte. Und als wäre das nicht genug, führte der Weg auf flachen, ebenfalls mit glitschigen Flechten bewachsenen Stufen stetig nach unten.
Der ist es unter Garantie! Was mussten die Elfen für einen schrägen Charakter haben, um sich lauter solche Gemeinheiten auszudenken? Mageli überfielen Zweifel. Vielleicht war das eine Falle! Die Wächter des Elfenreichs rechneten womöglich damit, dass ein Eindringling genauso dachte wie Mageli und den unwegsamsten Tunnel wählen würde, anstatt durch den bequemsten direkt ins Elfenreich zu marschieren … Aber woher sollte Mageli wissen, was derjenige, der dieses Labyrinth angelegt hatte, sich dabei gedacht hatte? Ihr schwirrte der Kopf, als sie vergeblich versuchte, sich die wahrscheinlichste Variante zu überlegen. Müde plumpste sie wieder auf ihren Rucksack.
Ein kleiner schwarzer Schatten schoss darunter hervor und verschwand in Windeseile in einem der Tunnel. Ups, was war das denn? Bisher war ihr in diesem unterirdischen Höhlensystem kein einziges Lebewesen begegnet. Aber das, was da panisch die Flucht ergriffen hatte, war eindeutig lebendig. Und es hatte etwas in ihrem Rucksack gesucht. Vermutlich etwas zu essen. Mageli zog den Rucksack hervor und kramte darin. Doch außer den Kaugummis fand sie nur eine Handvoll Brotkrümel, die sich dort durch den Transport von Pausenbroten angesammelt hatten. In weitem Bogen streute sie die Krümel in die Richtung, in die der kleine Schatten verschwunden war. Ob das Wesen sich anlocken ließ? Zu spät fiel ihr ein, dass es sich nicht unbedingt um ein nettes Tier handeln musste. Vielleicht war es ja auch giftig …
Zunächst sah Mageli zwei winzige gelbliche Augen aufblitzen. Dann huschte eine Eidechse zu dem Krümel, der am weitesten von Mageli entfernt lag, schnappte schnell ihre Beute und verschwand wieder.
Mageli atmete erleichtert auf. Eine ganz normale Eidechse! Schon als Kind hatte sie die flinken Tierchen fasziniert beobachtet, die ganz starr auf den Steinplatten im Garten in der Sonne verharrten, sobald aber ein Schatten über sie fiel, so blitzschnell verschwanden, dass man ihnen kaum mit den Augen folgen konnte.
Plötzlich fühlte Mageli sich nicht mehr ganz so allein. Sie grub in ihrem Rucksack nach weiteren Krümeln und warf sie der Eidechse hin. Dieses Mal kam das Tierchen sofort aus seinem Versteck. Statt mit seiner Beute eilig zu verschwinden, blieb es in sicherem Abstand vor Mageli hocken und verzehrte die Krümel genüsslich vor ihren Augen. Die Eidechse war etwa so lang wie Magelis Hand und hatte ein verschlungenes Muster auf dem Rücken.
»Hallo«, sagte Mageli ganz leise, um das scheue Tier nicht zu erschrecken. »Was machst du denn so allein hier unten?« Die Eidechse sah sie aus ihren kleinen gelben Augen aufmerksam an. Vielleicht dachte das Tier dasselbe über sie?
»Ich bin auf der Suche nach dem Elfenreich«, antwortete sie der Eidechse auf ihre stumme Frage. »Du kennst nicht zufällig den Weg?«
Oje, jetzt fragte sie schon eine Eidechse um Rat!
Die Eidechse hatte ihr Mahl beendet, rannte aber nicht weg. Sie schaute Mageli
Weitere Kostenlose Bücher