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Elfenblut

Elfenblut

Titel: Elfenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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eingemeißelt. Eines Mannes, den sie kannte. Schmale, edle Züge, eine aristokratische Nase und wache, sehr durchdringende Augen, die mit einer Mischung aus unverhohlenem Spott und einer angeborenen Verachtung auf sie herabzublicken schienen. Es war ein sehr kräftiges Gesicht, überlebensgroß und genau wie der Rest dieses Gebäudes uralt und verwittert, und dennoch strahlte es eine unheimliche Lebendigkeit aus.
    »Was ist los mit dir?« Offensichtlich hatte sie sich nicht annähernd so gut in der Gewalt gehabt, wie sie glaubte, denn Alica sah sie eindeutig alarmiert an. Ihr Blick folgte dem Pias und kehrte dann noch alarmierter wieder zu ihrem Gesicht zurück. »Sag nicht, dass …?«
    »Das ist Eirann, der Hochkönig der Dunkelelfen«, sagte eine sehr verärgert klingende Stimme hinter ihnen, »jedenfalls so, wie ihn sich der Künstler vorgestellt haben mag, der dieses Porträt lange nach seinem Tod über dem Tor angebracht hat. Und was bei Kronn habt ihr hier zu suchen? Hatte ich euch nicht gebeten, im Weißen Eber auf mich zu warten?«
    »Das ist eine dumme Angewohnheit von uns, weißt du?«, sagte Alica. »Wir reagieren allergisch auf Befehle.« Offensichtlich hatte sie zwar nicht Bracks Worte, wohl aber deren Sinn verstanden. Der Wirt beachtete sie gar nicht, sondern starrte Pia an und hatte dabei sichtlich Mühe, seinen Ärger nur auf seine Worte zu beschränken.
    »Wollt ihr euch mit Gewalt Ärger einhandeln? Was sucht ihr hier?«
    Pia sagte gar nichts, sondern starrte abermals zu dem gemeißelten Porträt über dem Tor hinauf, das den Hochkönig der Dunkelelfen zeigte … und zugleich den Mann, der Jesus und sie vor Hernandez gerettet hatte.
    »Eirann?«, murmelte sie.
    Brack zuckte ärgerlich mit den Schultern. »Das soll sein Name gewesen sein. Riskierst du Kopf und Kragen, weil du dich für eine alte Legende interessierst?« Er hinderte sie mit einer entsprechend ärgerlichen Handbewegung daran, zu antworten. »Was soll das?«
    Pia starrte weiter das in den Stein geschlagene Gesicht an. Die Ähnlichkeit war nicht vollkommen. Zeit und Erosion hatten ihre Spuren in dem uralten Stein hinterlassen, und jetzt, als sie genauer hinsah, erkannte sie doch den einen oder anderen Unterschied. Der Mann dort oben sah älter aus, härter und erfahrener, und auch wenn es dem vor langer Zeit gestorbenen Künstler auf beinahe unheimliche Weise gelungen war, einen Ausdruck von Leben in den toten Stein zu bannen, schien dieses Antlitz trotzdem etwas auszustrahlen, das auf unmöglich in Worte zu fassende Weise noch kälter war als der eisige Wind, der in ihr Gesicht blies.
    »Willst du jetzt weiter hier stehen und gaffen, oder kommt ihr mit mir zurück, und ich versuche Istvan irgendwie zu beruhigen?«, polterte Brack. »Ich bin allerdings nicht sicher, ob es mir gelingt.«
    Pia riss sich mit einer spürbaren Anstrengung von dem unheimlichen Anblick los, rang sich zu einem angedeuteten Nicken durch und machte eine entsprechende Geste. Brack starrte sie noch zwei oder drei Sekunden zornig an, dann aber drehte er sich auf dem Absatz herum und stampfte davon. Alica und sie folgten ihm. Über ihnen schrie ein Rabe.

XII
    D as Feuer im Kamin war schon wieder heruntergebrannt, doch Lasar legte gerade frisches Holz nach, als sie eintraten. Das Gasthaus war nicht mehr leer. Beiderseits der Tür standen zwei Männer in den schweren Wollmänteln und silberfarbenen Harnischen der Stadtwache. Beide hatten ihre Helme abgesetzt und der eine seinen Speer nachlässig gegen die Wand gelehnt; der andere aber umklammerte seinen Speer mit beiden Händen und so fest, als wäre gerade eine Horde Waffen schwingender Barbaren hereingestürmt, nicht zwei harmlose junge Frauen.
    Pia konnte einen spöttischen Blick in seine Richtung nicht ganz unterdrücken, was Brack nicht entging. Er reagierte mit einer eindeutig erschrockenen Grimasse, sagte jedoch mit ruhiger Stimme und einer deutenden Geste auf einen der Tische: »Das ist Istvan, der Kommandant der Stadtwache.«
    Istvan musste die Worte gehört haben, denn bis auf das gelegentliche Knacken eines brennenden Holzscheits war es nahezu vollkommen still hier drinnen, aber er reagierte nicht, und Pia und Alica folgten Bracks neuerlicher, jetzt eindeutig ungeduldiger Geste, und traten an den Tisch heran. Pia bedachte den schlanken, dunkelhaarigen Mann, der ein kantiges Gesicht und durchdringende Augen hatte und ihr für den Kommandanten einer kompletten Stadt beinahe ein bisschen zu jung vorkam, nur

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