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Elfenblut

Elfenblut

Titel: Elfenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einzuschlafen und wieder in ihrer ganz normalen, gewohnten Welt aufzuwachen, in der die größte Absurdität vielleicht im Anblick Jesus’ bestand, der ein Buch las, oder allenfalls in dem Alicas, die mit ihm darüber diskutierte (nein, das war eindeutig zu albern), gab es schließlich auf und krabbelte müde aus dem Bett. Zu Tode erschöpft, wie sie gestern gewesen war, hatte sie sich nicht mehr die Mühe gemacht, das Kleid oder auch nur die Stiefel auszuziehen, sodass ihr zwar kühl, aber wenigstens nicht unerträglich kalt war. Mit einem müden Blick auf die andere Betthälfte überzeugte sie sich davon, dass Alica tatsächlich schon vor ihr aufgestanden sein musste, fuhr sich noch müder mit beiden Händen durchs Gesicht und machte auf dem Weg zur Tür einen kurzen Bogen am Fenster vorbei. Wider besseres Wissen und gegen jede Logik klammerte sie sich daran, mit dem Anblick einer heruntergekommenen, von schmalen, aus Wellblech, Holz und Bauabfällen errichteten Hütten flankierten Straße belohnt zu werden, und sie war tatsächlich auf eine trotzige Art enttäuscht, als sie stattdessen die spitzen Dächer WeißWalds sah. Der Schnee darauf schien mehr geworden zu sein. Und ihre Stimmung sank noch weiter, als sie zum ersten Mal bewusst registrierte, dass zwar jedes einzelne Haus einen Kamin hatte, sich aber aus kaum einem davon Rauch kräuselte. Gut, dann war das hier eben doch kein Albtraum.
    Oder einer, aus dem sie einfach nicht aufwachen konnte.
    Müde schlurfte sie die Treppe hinunter, registrierte eher beiläufig, dass Alica mit Brack am Tisch saß, schon wieder einen Krug Bier in der einen und eine brennende Zigarette in der anderen Hand hielt und unverschämterweise geradezu provozierend frisch und ausgeruht wirkte. Als sie sie sah, hob sie die Hand und gestikulierte heftig, sich zu ihnen zu setzen. »Pia! Ich wollte dich gerade wecken! Setz dich zu uns. Ich brauche eine Übersetzerin!«
    Pia nuschelte eine Antwort, die sie selbst nicht verstand, schlurfte an ihr und Brack vorbei und stellte sich wenige Augenblicke später tapfer nicht nur der Herausforderung der mittelalterlichen Toilette, sondern auch der noch sehr viel größeren, sich mit eiskaltem Wasser zu waschen – und das war wörtlich zu verstehen. Auf dem Eimer, der an einem Seil über dem altmodischen Ziehbrunnen hing, hatte sich tatsächlich eine dünne Eisschicht gebildet, die knisternd zerbrach, als Pia zwei Hände voll Wasser daraus schöpfte und sich ins Gesicht schüttete. Danach sah sie vermutlich alles andere als frisch oder gar sorgfältig gewaschen aus, aber der Schock hatte sie endgültig geweckt.
    Zurück im Schankraum steuerte sie den Tisch an, an dem Brack und Alica saßen. In dem Kamin dahinter brannte ein prasselndes Feuer, und Alica war rücksichtsvoll genug, ihren Stuhl – der den Flammen am nächsten war – freizugeben und sich auf einen anderen zu setzen, sodass Pia zumindest die Illusion von Wärme genießen konnte, als sie sich darauf niedersinken ließ.
    »Gut siehst du aus«, begann sie feixend und nahm einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette. »Und da soll noch mal einer sagen, dass ehrliche Arbeit schadet. Dir scheint sie zu bekommen.«
    Pia hatte keine Ahnung, worauf Alica mit ihrer Stichelei hinauswollte, und es interessierte sie auch nicht. Ohne sonderliche Überraschung registrierte sie, dass einer der beiden ihre Abwesenheit genutzt hatte, um einen weiteren Krug Bier auf den Tisch zu stellen, aber sie nippte nur gerade ausgiebig genug daran, um ihre Lippen zu befeuchten und den schlechten Geschmack des Schlafs aus ihrem Mund gegen den kaum weniger schlechten des starken Gebräus einzutauschen. Sie sehnte sich nach einer Tasse starken Kaffee.
    »Ich hoffe, du hast gut geschlafen«, begann Brack.
    Pia warf ihm einen schrägen Blick zu und schwieg. Ihrer bescheidenen Meinung nach war es noch viel zu früh für Small Talk, aber das lag auch ganz gewiss nicht in Bracks Absicht …Er wollte auf etwas Bestimmtes hinaus. »Jedenfalls sehr tief«, antwortete sie widerwillig. »Was war das gestern Abend?«
    »Gestern Abend?« Brack schien alle Mühe zu haben, ein breites Grinsen zu unterdrücken. »Ich habe Rücksicht auf dich und deine Freundin genommen und die Tür noch nicht aufgemacht. Die ersten Gäste waren schon da.«
    Pia blinzelte. Der Schock des kalten Wassers ließ bereits nach, und sie musste schon wieder gegen die Müdigkeit ankämpfen, die in rasch aufeinanderfolgenden Schüben zurückkehrte und sie daran

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