Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elfenblut

Elfenblut

Titel: Elfenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
erreicht, und sie blieb abermals überrascht stehen.
    Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie sich nicht in Richtung Stadtmitte zubewegt hatten, wo sie einen Marktplatz ganz instinktiv vermutet hätte, sondern in die entgegengesetzte. Vor ihnen lag die Stadtmauer, wenn auch ein anderer Teil, in dem es kein Tor und nur einen einzelnen, wuchtigen Turm gab.
    Die Häuser reichten hier nicht bis direkt an die Stadtmauer heran, sondern ließen einen unregelmäßigen Halbkreis von sicherlich zwei- oder dreihundert Schritten Durchmesser frei, auf dem sich ein buntes Durcheinander aus Marktständen, Zelten, offenen Karren und hastig zusammengezimmerten Buden erhob. Ein emsiges, dennoch aber sonderbar gedämpft wirkendes Stimmengewirr schlug ihnen entgegen, und all die bunten Farben und die hektische Betriebsamkeit, die Pia bisher in dieser seltsamen Stadt vermisst hatte, schienen sich an genau diesem Ort versammelt zu haben. Sie sah Dutzende einfacher Karren, auf denen Gemüse und Blumen, Fleisch und Obst, Brot und Kuchen und andere Backwaren feilgeboten wurden, aber auch Stände mit Stoffen, Töpfen und Tiegeln, Werkzeugen und Dingen des täglichen Gebrauchs, viele davon vertraut, andere so fremdartig, dass sie nicht einmal mehr versuchte, ihre Bestimmung zu erraten. Zwischen all den Karren, Wagen und Verkaufsständen erhob sich auch eine Anzahl schreiend bunter Zelte, manche davon winzig, andere so groß, dass spielend zwei oder drei Dutzend Menschen darin Platz gefunden hätten. Nur einen halben Steinwurf entfernt gewahrte sie etwas, das ihr auf sonderbar melancholische Weise vertraut war: einen aus einer hastig improvisierten Umzäunung bestehenden Kreis, in dem Kinder auf Ponys reiten konnten, die von ihren Eltern langsam im Schritttempo am Zaumzeug geführt wurden. Ein gutes Stück dahinter, aber deutlich zu erkennen, hatten Schausteller eine kleine Bühne improvisiert und gaben irgendetwas zum Besten, was bei der kleinen Zuschauermenge, die sich darum versammelt hatte, zu schallendem Gelächter führte. Wie um das Bild abzurunden, identifizierte sie jetzt unter alldem Lärm, Durcheinander und Stimmengewirr etwas, das in ihren Ohren zwar vollkommen unvertraut und einfach nur nach misstönendem Lärm klang, vermutlich aber Musik sein sollte. Brack hatte von einem Markt gesprochen. Für ihren Geschmack war es eher ein Jahrmarkt . Aber vielleicht machte das für die Leute hier ja gar keinen Unterschied.
    Lasar ließ Alica und ihr hinlänglich Zeit, den unerwarteten Anblick zu verarbeiten, bevor er gerade dezent genug von einem Fuß auf den anderen zu treten begann, um nicht aufdringlich oder gar strafend zu wirken, seine Ungeduld aber dennoch kundzutun. Pia wedelte nur knapp mit der Hand. »Geh voraus.«
    Sie hatte nicht gesagt, wohin, doch das schien der Junge auch gar nicht erwartet zu haben. Er eilte weiter, blieb nach fünf oder sechs Schritten wieder stehen und überzeugte sich mit einem raschen Blick davon, dass sie ihm auch folgten, eilte ein weiteres Stück voraus und blieb noch einmal stehen, bis er es schließlich aufgab und darauf wartete, dass sie ganz zu ihm aufschlossen. Pia fand dieses Benehmen zunächst ziemlich albern, doch nachdem sie nur ein kleines Stück in die schmalen Gassen zwischen den Verkaufsständen und Karren eingedrungen waren, musste sie ihm im Stillen recht geben. Außer den bunten Zelten, Schaustellern und unterschiedlichen Musikanten, die sich gegenseitig zu überbrüllen versuchten, hatte dieser angebliche Markt noch etwas mit einer Kirmes gemeinsam, wie sie sie kannte: Er wimmelte nur so von Menschen, und obwohl Alica und sie die meisten hier fast um Haupteslänge überragten, hätten sie sich in der dicht gedrängten Menge wahrscheinlich schon nach wenigen Schritten verloren, hätte Lasar nicht so aufmerksam darauf geachtet, dass sie zusammenblieben. Sie tat etwas, was sie unter normalen Umständen verabscheut hätte: Ihre Hand suchte die Alicas und schloss sich fest um ihre Finger – was ihr einen sehr überraschten Blick der jungen Frau eintrug. Alica protestierte jedoch nicht, sondern griff ganz im Gegenteil ihrerseits fester zu.
    Sie waren gekommen, um Stoff zu kaufen – und natürlich um diese Stadt und ihre Bewohner kennenzulernen –, doch das hatte Pia schon nach dem ersten Dutzend Schritten beinahe vergessen. Sie war ein Stadtkind und durch die Umgebung, in der sie aufgewachsen war, viele Menschen auf engem Raum gewohnt, sodass ihr das Gedränge und Geschiebe nichts ausmachte,

Weitere Kostenlose Bücher