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Elfenblut

Elfenblut

Titel: Elfenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hatte Dinge wie Jahrmarkt, Kirmes oder gar den Karneval aber bisher instinktiv verabscheut. Sie mochte keine angeordnete Fröhlichkeit, und sie hasste es, wenn andere ihre angeborene Fluchtdistanz unterschritten und ihr näher als bis auf Armeslänge kamen. Dieser Anblick hier aber schlug sie sofort in seinen Bann. Alles war viel bunter, viel lauter und viel aufdringlicher, als sie es je erlebt hatte, aber da war etwas Vertrautes, noch einmal und in noch viel stärkerem Maße als bisher, das Gefühl, hierherzugehören, hier zu Hause zu sein.
    Darüber hinaus gab es wirklich eine Menge interessanter Dinge zu entdecken. Ließ sie alle ihre komplizierten und verwirrenden Gefühle einfach beiseite (was ihr natürlich nicht gelang, aber sie versuchte es), dann war dies sicherlich einer der bemerkenswertesten Orte, an denen sie jemals gewesen war. Ein bisschen kam sie sich vor wie auf einer jener albernen Mittelalter-Shows, die sie noch viel grässlicher fand als die ohnehin nervigen Volksfeste und Karnevalsveranstaltungen, die Rio de Janeiro sowohl mit der Regelmäßigkeit als auch mit der Unerbittlichkeit von Naturkatastrophen heimsuchten und auf denen sie zwei- oder dreimal gewesen war, um Jesus einen Gefallen zu tun. Es war hier sogar noch lauter, enger und aufdringlicher (von der grässlichen Musik und den tausenderlei nicht immer angenehmen Gerüchen, die über ihnen zusammenschlugen, gar nicht zu reden), doch dieser Ort hatte etwas, das all diese Nachteile nicht nur ausglich, sondern ihn schon fast wieder angenehm machte, sosehr sie diese Erkenntnis auch selbst verwirrte. Er hatte Authentizität. Nichts hier war gespielt. Nichts war billig nachgemacht oder existierte nur um des Effektes willen. Das hier war echt, und sie begriff, dass man diesen Unterschied wohl nur spürte, wenn man es wirklich erlebt hatte.
    Außerdem wurden Alica und sie schon wieder von allen angestarrt, aber damit hatte sie gerechnet und sich innerlich darauf vorbereitet, sodass es ihr schon beinahe überraschend leichtfiel, es hinzunehmen. Sie versuchte, sich auf die angebotenen Waren, die Marktstände und deren Besitzer zu konzentrieren. Vieles von dem, was sie sah, war ihr vertraut, denn manche Dinge ändern sich einfach nie. Manches war fremdartig und interessant und einiges auch abstoßend, vor allem wenn es um das ging, was die Leute hier offensichtlich zu essen pflegten. Von Hygienevorschriften schien man nicht allzu viel zu halten (falls es das Wort hier überhaupt gab), und zwei- oder dreimal kam sie sich vor wie in einer chinesischen Garküche, bei der man sich unwillkürlich fragte, ob es nicht vielleicht ästhetischer (und gesünder) wäre, den Koch zu essen, statt dem, was er in seiner Pfanne brutzelte.
    Pia schüttelte den albernen Gedanken ab, als sie nicht nur Lasars Blick schon wieder auf sich spürte, sondern auch seine Ungeduld. Er wagte es nicht, auch nur eine entsprechende Bemerkung zu machen, aber sie fühlte seine Nervosität. Vielleicht hatte die ja einen Grund. Wenn dieser Ort hier so viel mit seinen Gegenstücken in ihrer Heimat gemein hatte, wie es aussah, dann trieben sich hier vielleicht nicht nur ehrbare Bürger herum …
    Sie schloss ganz instinktiv die andere Hand noch fester um die Münzen, die Brack ihr gegeben hatte, bedeutete Lasar mit einem Blick vorauszugehen und folgte ihm durch das Gewirr aus Menschen und überfüllten Gässchen auf einen anderen Teil des Jahrmarkts, wo keine Lebensmittel, Blumen oder Küchengeräte (jedenfalls vermutete sie es, auch wenn manches davon ihrer Meinung nach ganz passables mittelalterliches Folterwerkzeug abgegeben hätte) angeboten wurden, sondern eher die Art von Waren, derentwegen sie eigentlich hergekommen waren: Kleider, Schuhe und Stoffe.
    Lasar führte sie zielsicher zu einem großen, aus drei flachen Karren mit überdimensionierten Rädern und geschickt drapierten Stoffbahnen improvisierten Stand mit Kleidern, Mänteln, Blusen und Schals und anderen Kleidungsstücken. Drei junge Frauen standen hinter ihren Auslagen und versuchten ebenso lautstark wie gestenreich, die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden auf ihre Waren zu lenken. Gleich zwei von ihnen stürzten sich mit dem untrüglichen Gespür ihrer Spezies auf Pia, kaum dass sie auch nur einen vorsichtigen Blick aus den Augenwinkeln auf ihre Auslagen geworfen hatte; aber zumindest einer der beiden verschlug es die Sprache, als sie den Kopf in den Nacken legen musste, um ihr ins Gesicht zu sehen. Pia sagte nichts dazu,

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