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Elfenblut

Elfenblut

Titel: Elfenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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noch weiter, denn vor ihr stand jemand, der deutlich kleiner war, als sie ohnehin erwartet hatte.
    Das Kind zupfte zum zweiten Mal an ihrem Umhang, fuhr dann auf dem Absatz herum und verschwand in der Menge. Vielleicht hatte es versucht, sie zu bestehlen, oder es hatte die sonderbare Fremde, von der die ganze Stadt sprach, einfach nur einmal anfassen wollen.
    Pia lächelte flüchtig und drehte sich wieder herum, folgte dem Kind aber weiter mit Blicken. Zu ihrem Erstaunen wurde es nach wenigen Schritten langsamer, blieb dann ganz stehen und rannte erst weiter, nachdem es sich davon überzeugt hatte, dass sie es auch wirklich sah. Seltsam.
    Pia wandte sich erneut dem Stand zu. Lasar hatte mittlerweile damit begonnen, heftig um den Preis des Stoffbündels zu feilschen, dessen wahrer Wert von seiner Besitzerin erst in diesem Moment wirklich erkannt worden zu sein schien. Pia hörte nur mit halbem Ohr hin, aber allein der Tonfall machte ihr klar, dass sich die Sache wohl noch eine Weile hinziehen würde. Schon wieder etwas, dachte sie, das anscheinend zu allen Zeiten und in allen Welten gleich war.
    »Du hast das Zeug tatsächlich gekauft?«, vergewisserte sich Alica.
    »Wenn du hier irgendwo etwas Besseres siehst, dann lass es mich wissen«, sagte Pia.
    Alica durchbohrte sie regelrecht mit Blicken, und Pia legte nur aus einem Gefühl heraus den Kopf in den Nacken und blinzelte in den Himmel hinauf. Er war wolkenlos und von einem so strahlenden Blau, als hätte ihn jemand nur zu dem einzigen Zweck in dieser Farbe angemalt, um sich über die grausame Kälte lustig zu machen.
    Vielleicht konnte sie den kreuzförmigen schwarzen Schatten deshalb umso besser erkennen, der über ihnen kreiste und sie aus tückisch funkelnden Augen beobachtete.
    »Seht nicht so auffällig dorthin, Erha… Gaylen«, sagte Lasar. Pia warf ihm einen strafenden Blick zu, und er verbesserte sich hastig: »Pia.«
    »Warum nicht?« Pia erinnerte sich, den riesigen schwarzen Vogel schon einmal gesehen zu haben, wusste aber im ersten Moment nicht mehr, wann. Dann fiel es ihr wieder ein. »Warum hat Brack ihn verdammter Spion genannt?«
    Lasar machte eine wegwerfende Geste und versuchte möglichst beiläufig zu klingen. »Das ist nur ein alter Aberglaube«, sagte er.
    »Ein alter Aberglaube?« Pia hatte plötzlich ein sehr, wirklich sehr schlechtes Gefühl. Anders als gestern kam der Vogel nicht näher, sondern hielt seine Position hoch über den Dächern der Stadt, doch sie konnte seinen Blick spüren; fast so intensiv wie eine Berührung. »Erzähl mir davon.«
    »Eiranns Raben«, antwortete Lasar. »Es heißt, der König der Dunkelelfen habe ein Paar magischer Raben gehabt, die seine Augen und Ohren gewesen seien. Was sie sahen, das sah auch er, und was sie hörten, das konnte auch er hören. So blieb ihm nichts verborgen, was im Land getan und gesprochen wurde.«
    »Und seither mögen die Leute hier Raben nicht mehr besonders«, vermutete Pia. Ihr Mund war plötzlich so trocken, dass sie beinahe Mühe hatte, überhaupt zu reden. Sie musste an ein Paar anderer Raben denken, das sie vor kaum zwei Tagen gesehen hatte.
    »Niemand glaubt heute mehr an diesen Unfug«, behauptete Lasar nervös. »Na ja … außer Brack vielleicht.«
    Wenn niemand mehr an diese Legende glaubt, dachte Pia, warum war er dann gerade so sehr darauf bedacht, dass ich diesen harmlosen Vogel nicht anstarre? Aber sie kam nicht dazu, die Frage laut zu stellen, denn in diesem Moment zupfte es erneut an ihrem Mantel. Das Kind war zurück, wirbelte genauso schnell herum und davon wie beim ersten Mal und blieb auch jetzt wieder nach einem Dutzend Schritten stehen, um sich davon zu überzeugen, dass Pia es auch wirklich sah. Erst dann lief es weiter.
    Und es war nicht etwa so, dass Pia sich aus irgendeinem Grund entschied, ihm zu folgen.
    Das taten ihre Schuhe für sie.

XV
    S ie war schon ungefähr ein oder zwei Dutzend Schritte weit gekommen, bevor Alica sie einholte und derb am Arm zurückriss. »He, was soll das?«, beschwerte sie sich. »Wenn wir uns in diesem Durcheinander hier aus den Augen verlieren, finden wir uns nie wieder!«
    Pia machte sich mit sanfter Gewalt los. »Immer vorausgesetzt, du kniest dich hin, damit ich dich nicht sehe«, erwiderte sie spöttisch, ging aber trotzdem weiter und sah Alica nicht einmal an, sondern versuchte konzentriert, das Kind nicht aus den Augen zu verlieren. Was ihr nicht sonderlich schwerfiel, denn der Knirps lief immer nur einige wenige

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