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Elfenblut

Elfenblut

Titel: Elfenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zu und stach, parierte und konterte mit einer Schnelligkeit und Kraft, die ihre einzelnen Bewegungen zu einem schattenhaften Tanz verschmelzen ließen. Eiranns Zorn sang in ihren Händen, stach, schlitzte, tötete und verstümmelte, aber sein Blutdurst schien mit jedem roten Tropfen nur noch zu wachsen, der die diamantene Klinge benetzte, ohne auch nur die geringste Spur darauf zu hinterlassen. Jemand schrie ihren Namen – vielleicht Alica, vielleicht auch eine andere Stimme –, doch Pia reagierte nicht darauf und hätte es auch nicht gekonnt, wenn sie es gewollt hätte. Der Kampf zwischen den beiden ungleichen Gruppen war längst zu Ende, und es war nur noch sie, gegen die sich die Männer gemeinsam zu verteidigen versuchten, und das singende Schwert in ihrer Hand, das gnadenlos einen nach dem anderen niedermähte.
    Und dann war plötzlich Alica vor ihr, eine schmale Gestalt mit schreckensbleichem Gesicht und entsetzt aufgerissenen Augen, die ihr mit ausgebreiteten Armen den Weg vertrat. Eiranns Zorn züngelte nach ihrer Kehle, um auch ihr Blut zu kosten, doch Pia riss die Waffe mit einer verzweifelten Bewegung zur Seite. Die schimmernde Klinge zischte um Haaresbreite neben ihr durch die Luft und grub sich mit einem dumpfen Laut in den Boden, und dann traf irgendetwas Pias Schläfe und löschte ihr Bewusstsein auf der Stelle aus.

XXX
    A m schlimmsten schmerzten die Handschellen.
    Es waren keine richtigen Handschellen, wie sie sie von zu Hause kannte und wie Hernandez sie ihr nur zu gerne angelegt hätte. Diese hier waren schlimmer. Statt in einer verchromten Acht aus nahezu unzerstörbarem Stahl steckten ihre Hände in groben Ringen aus rostig gewordenem Eisen, die entsetzlich eng waren und nicht nur das Blut in ihren Händen abschnürten, sondern auch ihre Haut wund gescheuert hatten und dies bei jeder noch so winzigen Bewegung unbarmherzig weitertaten. Ihre Arme, in einer qualvoll unbequemen Haltung dicht über ihrem Kopf an die Wand gekettet, waren längst mit einer dicken Schicht ihres eigenen eingetrockneten Blutes verkrustet, zu dem sich immer dann frisches und warmes Rot gesellte, wenn sie in ihrer Aufmerksamkeit nachließ oder einschlief. Jegliches Gefühl war schon am ersten Tag aus ihren Fingern gewichen – abgesehen von Schmerzen –, und mittlerweile waren auch diese zu einer imaginären Grenze aus purer Qual zurückgewichen, die sich irgendwo dort befand, wo einmal ihre Handgelenke gewesen sein mochten. Trotz der Pein, die ihr diese entsetzlich folternde Haltung bereitete, war Pia beinahe froh, ihre eigenen Hände nicht sehen zu können; aus Angst, nur noch zwei schwarz verkrampfte Raubvogelklauen zu erblicken, die bereits in Fäulnis übergegangen waren.
    Jedenfalls rochen sie so.
    Vielleicht war sie es auch selbst, die so roch. Sie stand jetzt seit drei Tagen aufrecht an die Wand des fensterlosen Kellerverlieses gekettet da – vielleicht länger. Sie war von erheblichem Schmerz und quälendem Durst gepeinigt hier aufgewacht, und ihre innere Uhr, so präzise sie sonst auch funktionieren mochte, hatte ihr keine Auskunft darüber gegeben, wie viel Zeit zwischen diesem Moment und der apokalyptischen Schlacht auf der Waldlichtung vergangen war – man hatte sie nicht ein einziges Mal losgekettet. Tatsächlich war in diesen drei Tagen nur zweimal ein Soldat zu ihr gekommen, um ihr zu trinken zu geben, und hatte sich wieder entfernt, ohne ein einziges Wort mit ihr zu wechseln.
    Vielleicht wollte Istvan sie ja auf diese Weise sterben lassen. Doch ihr Verstand sagte ihr, dass das nicht sehr wahrscheinlich war: Der Stadtkommandant und seine Männer hatten sie ganz gewiss nicht so weit verfolgt und sich auf einen verlustreichen Kampf mit den Barbarenkriegern eingelassen, nur um sie dann auf diese vielleicht grausame, aber wenig spektakuläre Art zu Tode zu foltern, noch dazu ohne Publikum. Doch es war nur ihre Vernunft, die ihr das klarzumachen versuchte. Schmerzen, Fieber und der immer quälender werdende Durst (sie gaben ihr gerade genug zu trinken, um sie am Leben zu erhalten) überzeugten sie mit jeder Stunde mehr davon, dass dies genau die Rache war, die sich Istvan für sie ausgedacht haben musste.
    Irgendwo polterte etwas, aber Pia war zu müde und zu schwach, um auch nur den Kopf zu heben. Es wäre sowieso sinnlos gewesen. Während der ersten anderthalb oder zwei Tage hatte sie auf jedes noch so winzige Geräusch gelauscht und versucht, die vollkommene Dunkelheit ringsum irgendwie mit Blicken zu

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