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Elfenherz

Titel: Elfenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Black
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sollte. Die Worte hielten sich noch an ihrer Zunge fest. »Mein Freund hat mit meiner Mom geschlafen«, brachte sie schließlich heraus.
    Lolli lachte, bis sie keine Luft mehr bekam. Dann starrte sie Val einen Augenblick lang an, mit aufgerissenen Augen, ungläubigem Blick. »Echt?«, fragte sie.
    »Echt«, erwiderte Val, seltsam zufrieden, weil sie es geschafft hatte, selbst Lolli zu schocken. »Sie dachten, ich nehme den Zug, und knutschten auf dem Sofa rum. Sein Gesicht war total verschmiert von ihrem Lippenstift.«
    »Oh, fies! Fiesl!« Lollis Mund zuckte in unverfälschtem, gekichertem Ekel. Val musste ebenfalls lachen, weil sie es
auf einmal auch komisch fand. Val lachte so sehr, dass ihr die Tränen über die Wangen liefen. Es war anstrengend, so zu lachen, aber das gab ihr das Gefühl, aus einem schrägen Traum zu erwachen.
    »Und dahin willst du zurückgehen?«, fragte Lolli.
    Val war immer noch fast betrunken vor Lachen. »Ich muss, oder etwa nicht? Ich meine, auch wenn ich noch eine Weile bei euch bleibe, kann ich doch nicht mein Leben in einem Tunnel verbringen.« Als ihr klar wurde, was sie da gesagt hatte, blickte sie zu Lolli hoch, weil sie fürchtete, sie beleidigt zu haben. Doch die hatte gerade den Kopf auf die Knie gelegt und sah nachdenklich aus.
    »Dann ruf deine Mom an«, sagte Lolli schließlich. Sie zeigte auf die Eingangshalle. »Da kannst du telefonieren.«
    Val war schockiert. So einen Ratschlag hätte sie nie von Lolli erwartet. »Ich habe ein Handy.«
    »Dann ruf sie jetzt an.«
    Val fischte ihr Handy aus dem Rucksack und schaltete es voll böser Vorahnungen ein. Als das Display aufleuchtete, verzeichnete es siebenundsechzig Anrufe in Abwesenheit. Aber sie hatte nur eine SMS bekommen, von Ruth: »Wo bist du? Deine Mom dreht durch.«
    Val drückte auf Antworten. »Noch in der Stadt«, schrieb sie, aber dann hörte sie auf, weil sie nicht wusste, was sie noch schreiben sollte. Was würde sie als Nächstes machen? Konnte sie wirklich nach Hause?
    Sie wappnete sich für die Mailbox. Die erste Nachricht war von ihrer Mutter, die mit sanfter, erstickter Stimme
sagte: »Valerie, wo bist du? Ich will nur wissen, dass es dir gut geht. Es ist schon spät und ich habe Ruth angerufen. Sie hat mir gesagt, was sie dir erzählt hat. Ich-ich-ich weiß nicht, wie ich dir erklären soll, was passiert ist, oder wie ich mich entschuldigen könnte.« Dann kam eine lange Pause. »Ich weiß, dass du sehr wütend auf mich bist. Du hast alles Recht der Welt, sauer auf mich zu sein. Aber bitte sag irgendwem, dass es dir gut geht.«
    Es war seltsam, nach so langer Zeit die Stimme ihrer Mutter zu hören. Ihr Magen krampfte sich vor Schmerz, Wut und schrecklicher Verlegenheit zusammen. Einen Jungen mit ihrer Mutter zu teilen, ließ ihre Seele nackt und bloß zurück. Sie löschte die Nachricht und hörte sich die nächste an. Sie war von ihrem Vater: »Valerie? Deine Mutter macht sich furchtbare Sorgen. Sie hat gesagt, ihr habt euch gestritten und du bist weggelaufen. Ich weiß, wie deine Mutter sein kann, aber nachts wegzubleiben, ist auch keine Lösung. Ich dachte, so schlau wärst du auch.« Im Hintergrund hörte sie, wie ihre Halbschwestern sich über irgendwelche Cartoons kaputtlachten.
    Als Nächstes kam eine fremde Stimme. Der Mann klang gelangweilt. »Valerie Russell? Ich bin Officer Montgomery. Ihre Mutter hat Sie als vermisst gemeldet, nach einem Streit zwischen Ihnen beiden. Niemand wird Sie zu irgendetwas zwingen, aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich melden und mich wissen lassen, dass Sie nicht in Schwierigkeiten sind.« Er hatte seine Nummer hinterlassen.

    Die nächste Nachricht bestand aus Stille, nur unterbrochen von feuchtem Schluchzen und schließlich der tränenerstickten Stimme ihrer Mutter, die heulte: »Wo bist du?«
    Val hörte abrupt mit dem Abhören auf. Es war schrecklich zu hören, wie sehr ihre Mutter sich aufregte. Sie sollte nach Hause fahren. Vielleicht würde es ja wieder halbwegs werden - wenn sie nie wieder einen Freund mit nach Hause brachte, wenn ihre Mutter sie eine Weile in Ruhe ließe. Es dauerte kein Jahr mehr, bis Val die Highschool verließ. Dann müsste sie nie wieder dort leben.
    Sie scrollte die Namensliste runter bis »Zu Hause« und drückte auf den grünen Hörer. Als es am anderen Ende der Leitung klingelte, wurden Vals Finger eiskalt. Lolli schob die restlichen Lo-Mein-Nudeln zu einer Form zusammen, die vielleicht die Sonne darstellte, oder eine Blume oder

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