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Elfenherz

Titel: Elfenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Black
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stehen«, sagte Lolli. »Ich habe Hunger.«
    Schon das Wort löste bei Val heftiges Magenknurren aus. Die Angst hatte bislang ihren Appetit vertrieben, und sie merkte erst jetzt, dass sie seit letzter Nacht nichts mehr gegessen hatte. »Ich auch.«
    »Dann zeige ich dir jetzt, wie man Tische abschnorrt.«
    Lolli wählte einen Laden, vor dem mehrere Enten hingen, die mit Draht an den Hälsen zusammengebunden waren. Rote Glasur tropfte auf die Straße, dunkle Löcher gähnten anstelle von Augen. Drinnen standen die Menschen Schlange vor dem Angebot verschiedener dampfender Gerichte. Lolli bestellte Tee und Frühlingsrollen für sie beide. Der Mann hinter dem Verkaufstresen konnte kein Englisch, aber er füllte ihr Tablett mit dem Bestellten und häufte ungefähr zehn Plastiktütchen dazu.

    Die Mädchen schlüpften in eine Nische. Lolli sah sich um, riss dann ein Päckchen Entensoße auf und quetschte sie auf ihre Frühlingsrolle. Dann fügte sie noch Senf dazu. Schließlich neigte sie den Kopf lässig zu einer leeren Nische, wo die Teller noch auf dem Tisch standen. »Siehst du die Reste da?«
    »Ja.« Val biss in ihre Frühlingsrolle und genoss das Gefühl von Fett auf den Lippen. Es schmeckte köstlich.
    »Warte.« Lolli stand auf, holte einen Teller mit Lo-Mein-Resten und kam zurück. »Tische abschnorren, kapiert?«
    Val war leicht geschockt. »Ich fasse es nicht, dass du das gerade gemacht hast.«
    Lolli lächelte, verzog dann aber seltsam das Gesicht. »Manchmal macht man schon komische Sachen, die man selbst kaum glauben kann.«
    »Kann schon sein«, sagte Val langsam. Schließlich konnte sie es auch nicht fassen, dass sie mit einem Haufen obdachloser Jugendlicher die Nacht in einer verlassenen U-Bahn-Station verbracht hatte. Sie konnte es nicht fassen, dass sie sich kahl rasiert und zu einem Hockeyspiel gegangen war, statt rumzubrüllen, als sie das mit Tom und ihrer Mutter herausgefunden hatte. Sie konnte es nicht fassen, dass sie hier in aller Seelenruhe das Abendessen von jemand anderem aufaß, obwohl sie vorhin erst ein Ungeheuer gesehen hatte.
    »Ich bin mit meinem Freund zusammengezogen, als ich dreizehn war«, erzählte Lolli.
    »Echt?«, fragte Val. Das Essen beruhigte sie und gab
ihr den Glauben zurück, dass die Welt sich weiter drehte, auch wenn es Elfen und schräge Elfendrogen gab. Es gab auch weiterhin chinesisches Essen, und das war immer noch heiß, fettig und lecker.
    Lolli schnitt eine Grimasse. »Er hieß Alex. Er war zweiundzwanzig. Meine Mom fand ihn pervers und verbot mir, mich mit ihm zu treffen. Irgendwann hatte ich die Nase voll von dieser Geheimnistuerei, da bin ich abgehauen.«
    »Scheiße«, sagte Val, weil ihr nichts Besseres einfiel. Mit dreizehn waren ihr Jungen so geheimnisvoll und unerreichbar vorgekommen wie die Sterne am Himmel. »Und dann?«
    Lolli schlang ein paar Bissen Lo Mein herunter und spülte mit Tee nach. »Wir haben uns dauernd gestritten, Alex und ich. Er hat in unserer Wohnung gedealt, aber ich durfte gar nichts, nicht mal wenn er vor meinen Augen was gedrückt hat. Er war schlimmer als meine Eltern. Irgendwann hat er sich ein anderes Mädchen gesucht und mich rausgeworfen.«
    »Bist du wieder nach Hause gegangen?«, fragte Val.
    Lolli schüttelte den Kopf. »Man kann nicht mehr zurück«, sagte sie. »Man verändert sich und dann gibt es keinen Weg zurück.«
    »Ich könnte zurückgehen«, sagte Val automatisch, aber die Erinnerung an den Troll und ihren Handel verfolgte sie. Jetzt, in dem hellen, warmen Restaurant, kam ihr das alles unwirklich vor, aber es arbeitete in ihrem Hinterkopf.
    Lolli schien über ihre Antwort nachzudenken. »Weißt
du, was ich mit Alex gemacht habe?« Da war es wieder, ihr böses Lächeln. »Ich hatte noch die Schlüssel. Da bin ich noch mal in die Wohnung und hab sie komplett verwüstet. Ich hab alles aus dem Fenster geworfen - seine Anziehsachen, ihre Anziehsachen, den Fernseher, die Drogen, einfach alles, was mir in die Finger kam, landete auf der Straße.«
    Val kicherte vor Schadenfreude. Sie konnte sich Toms Miene genau vorstellen, wenn sie das täte. Sie stellte sich vor, wie sein neuer Computer auf der Einfahrt zersprang, der iPod in tausend weiße Stücke zerbrach, seine schwarzen Sachen über den Rasen flogen.
    »Hmmm«, sagte Lolli unschuldig. »Die Geschichte hat dir viel zu gut gefallen, als dass du nicht auch so eine Arschloch-Story auf Lager hättest.«
    Val öffnete den Mund, wusste aber gar nicht genau, was sie sagen

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