Elfenherz
wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Obwohl der Troll jetzt ruhig wirkte, sogar freundlich, hörte sie die Warnung in seinen Worten nur zu deutlich. Sie musste daran denken, was ihre Mutter einmal gesagt hatte, als sie sich von einem besonders gestörten Freund getrennt hatte. Wenn ein Mann dir droht, dir wehzutun, glaube es. Sie warnen einen immer und sie haben immer recht. Val verdrängte die Worte; auf den Rat ihrer Mutter konnte sie verzichten.
Der Troll ging zu seinem Schreibtisch zurück und nahm drei versiegelte und verkorkte Bierflaschen. Durch das bernsteinfarbene Glas konnte sie die Farbe des Inhalts nicht erkennen, aber bei der Vorstellung, dass es sich um den gleichen bernsteinfarbenen Sand handeln könnte, der
in der vergangenen Nacht durch ihre Adern geronnen war, prickelte ihre Haut vor Vorfreude.
»Die erste Lieferung geht in den Washington Square Park, an ein Elfentrio, das dort lebt.« Er zeigte ihr den Ort mit einem krummen Nagel auf einer Landkarte an der Wand. Sie verzeichnete nicht nur die fünf Stadtbezirke, sondern auch beinahe vollständig die Staaten New York und New Jersey. Val trat näher und sah zum ersten Mal, dass mehrere Punkte mit schwarzen Stecknadeln markiert waren. »Die zweite Flasche kannst du vor diesem verlassenen Gebäude stehen lassen. Der... Empfänger will sich vielleicht nicht offenbaren. Dann möchte ich, dass du die dritte Flasche in diesen verlassenen Park hier bringst.« Der Troll zeigte auf eine Straße in Williamsburg. »Dort befinden sich kleine grüne Hügel, in der Nähe des Wassers und der Felsen. Das Wesen, das du aufsuchst, wird am Flussufer auf dich warten.«
»Was bedeuten die Stecknadeln?«, fragte Val.
Der Troll warf einen schnellen Seitenblick auf die Karte und zögerte, bevor er ihr antwortete. »Todesfälle. Es kommt durchaus vor, dass Elfen in den Städten sterben - die meisten von uns sind im Exil oder verstecken sich vor anderen Elfen. Es ist gefährlich, inmitten von so viel Eisen zu leben. Das nimmt man nur in Kauf, wenn man den Schutz braucht, den es liefert. Doch diese Todesfälle sind anders. Ich versuche, sie aufzuklären.«
»Woraus besteht die Lieferung?«
»Aus Medizin«, antwortete Ravus. »Dir würde sie nichts
nützen, aber es lindert die Schmerzen unseres Volkes, dem das Eisen zusetzt.«
»Soll ich etwas dafür zurückbringen?«
»Damit musst du dich nicht befassen«, antwortete der Troll.
»Also«, sagte Val. »Ich will nicht rumzicken, aber ich habe noch nie in New York gewohnt. Ich meine, ich habe hier ab und zu eingekauft und war im Village unterwegs, aber ohne einen Blick auf die Karte finde ich diese Orte nie im Leben.«
Er lachte. »Natürlich nicht. Wenn du Haare hättest, würde ich dir drei Knoten hineinmachen, einen für jede Lieferung, aber so brauche ich deine Hand.«
Sie streckte sie aus, mit der Handfläche nach oben, bereit, sie sofort wegzuziehen, falls er irgendetwas Spitzes herausholte.
Der Troll kramte in seiner Manteltasche und zog eine Rolle mit grünem Garn hervor. »Deine linke Hand«, befahl er.
Sie reichte ihm die andere Hand und sah zu, wie er das Garn um ihren Zeige-, Mittel- und Ringfinger wickelte und einen Knoten machte. »Was soll das bewirken?«, fragte sie.
»Es wird dir helfen, deine Lieferungen zuzustellen«, antwortete der Troll.
Nach einem Blick auf ihre Finger nickte sie. Was war daran denn bitte magisch? Sie hatte etwas Glitzerndes, Leuchtendes erwartet, nicht so etwas Schlichtes. Garn war eben Garn. Sie hätte am liebsten nachgefragt, wollte aber
auch nicht unhöflich sein und fragte stattdessen etwas anderes: »Warum ist Eisen für Elfen so schlimm?«
»Uns liegt es nicht im Blut wie euch. Mehr weiß ich auch nicht. Es gab einen König am Unseligen Hof, der vor Kurzem mit Eisenspänen vergiftet wurde. Nephamael. Er hatte sich zunächst mit dem Eisen verbündet und einen eisernen Reif um den Kopf getragen, der seine Haut so tief versengte, bis sein Fleisch so verhärtet war, dass Eisen ihm nichts mehr anhaben konnte. Doch seine Kehle verhärtete sich nicht und so erstickte er an dem Zeug.«
»Was ist das - ein Hof?«, fragte Val.
»Wenn genügend Elfen in einer Gegend sind, schließen sie sich gern zu Gruppen zusammen. Man könnte sie als Gangs bezeichnen, aber wir bevorzugen das Wort Höfe. Sie besetzen ein gewisses Gebiet und kämpfen häufig darum mit anderen Höfen. Es gibt Selige Höfe, auch Helle Höfe genannt, und Unselige Höfe, Höfe der Nacht. Auf den ersten Blick
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