Elfenherz
Krummschwert und konnte mit einem Power Move drei gegnerische Köpfe auf einmal abhacken, außerdem hatte sie jede Menge Gesundheitspunkte. Die konnte man oben am Bildschirmrand sehen, blaue Kreise, die jeweils mit einem Knall rot wurden, je verletzter Akara war. Mehr passierte da nicht. Akara wurde nicht langsamer, wenn sie verletzt war, sie taumelte nicht, schrie nicht, fiel nicht in Ohnmacht.
Im Gegensatz zu Val, die all dies tat.
Jemand packte Val zu fest am Arm. Sie spürte Nägel, die sich in ihre Haut gruben. Das tat weh. Alles tat weh. Val öffnete die Augen.
Ein junger Mann beugte sich über sie. Erst erkannte sie ihn nicht. Sie wich zurück und wollte nur fort von ihm. Doch dann sah sie das tintenschwarze Haar, die geschwollenen Lippen und die goldgepunkteten Augen. Luis stand im Hintergrund.
»Val«, sagte Luis. »Das ist Ravus. Ravus.«
»Fass mich nicht an«, sagte Val, die wünschte, der Schmerz würde nachlassen.
Ravus verzog den Mund zu einem bitteren Lächeln, als er seine Hände wegnahm. »Du wärst beinahe gestorben«, sagte er leise.
Val deutete das als ermutigendes Zeichen dafür, dass sie doch noch nicht im Sterben lag.
Val erwachte, warm und schläfrig. Einen Augenblick lang dachte sie, sie würde wieder in ihrem eigenen Bett zu Hause liegen. Sie fragte sich, ob sie verschlafen hatte und den Unterricht verpasste. Dann überlegte sie, ob sie möglicherweise krank geworden war, doch als sie die Augen öffnete, sah sie flackerndes Kerzenlicht und hoch über sich das schattendunkle Dach. Sie lag in einen Kokon aus Laken gewickelt, die nach Lavendel dufteten, hoch oben auf einem Berg aus Kissen und Teppichen. Der stetige Verkehr über ihr hörte sich fast an wie Regen.
Val stützte sich auf die Ellbogen. Ravus stand hinter seinem Arbeitstisch und hackte einen Klotz aus dunkler Substanz zurecht. Sie sah ihm einen Augenblick lang zu, beobachtete seine langen kundigen Finger, die um das Messer geschlungen waren, bevor sie ein Bein unter den Decken hervorstreckte. Es war nackt und am Oberschenkel mit einer Bandage aus Blättern verbunden. Das Bein fühlte sich seltsam taub an.
Ravus warf ihr einen Blick zu. »Du bist wach.«
Sie wurde rot, weil ihr die Vorstellung peinlich war, dass er ihr die Hose ausgezogen hatte, diese schmutzige Hose.
»Wo ist Luis?«
»Er ist wieder in den Tunnel zurückgegangen. Ich bereite dir einen Heiltrank. Meinst du, du kannst etwas zu dir nehmen?«
Val nickte. »Ist das irgendein Zaubertrank?«
Ravus schnaubte. »Das ist nichts als Kakao.«
»Oh.« Val kam sich blöd vor.
Sie sah ihn wieder verstohlen an.
»Deine Hand ist ja gar nicht verbunden.«
Ravus hielt sie hoch, auf der Handinnenfläche war keine Narbe zu sehen. »Trolle heilen schnell. Ich bin nicht so leicht totzukriegen, Val.«
Sie schaute seine Hand an, dann den Tisch mit den Arzneien, und schüttelte den Kopf. »Wie funktioniert das eigentlich mit der Magie? Wie geht das, normale Dinge zu verzaubern?«
Ravus warf ihr einen scharfen Blick zu und fuhr dann fort, den braunen Klotz zu bearbeiten. »Denkst du, das ist es, was ich tue?«
»Wieso, tust du das nicht?«
»Ich verzaubere nichts«, antwortete er. »Ich könnte es vielleicht, aber nicht in nennenswerten Mengen oder Stärken. Das liegt nicht in meiner Macht, in so gut wie niemandes Macht außer einem Hochkönig oder einer Hochkönigin der Elfen. Diese Dinge...« Er fuhr mit der Hand über den Arbeitstisch, über die hart gewordenen Kaugummiklumpen, die vielen verschiedenen Verpackungspapierchen und Dosen, die Kippen mit Lippenstift. »... sind schon verzaubert. Das haben die Menschen getan.« Er nahm eine silberne Kaugummifolie. »Ein Spiegel, der nie zerbricht.« Er nahm ein Tuch mit einem fleckigen Lippenstift-Kussmund. »Ein Kuss, der niemals endet.« Eine Zigarette. »Der Atem eines Mannes.«
»Aber Spiegel und Küsse sind auch nicht magisch.«
Das brachte ihn zum Lachen. »Du glaubst wohl nicht
daran, dass man mit einem Kuss ein Ungeheuer verwandeln oder die Toten erwecken kann.«
»Ich hab doch recht, oder?«
»Allerdings«, erwiderte der Troll trocken. »Damit hast du recht. Aber zum Glück geht es bei diesem Trank um keins von beiden.«
Jetzt musste Val lächeln. Sie dachte darüber nach, wie sie alle seine Blicke, seine Seufzer und die subtilen Veränderungen in seiner Miene wahrnahm. Sie dachte darüber nach, was das zu bedeuten hatte, und machte sich Sorgen.
»Warum siehst du immer so aus, wie du aussiehst?«, fragte
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