Elfenherz
wie ein Automat. »Ich habe dich nie gemocht.«
Dave drückte den Mann in einen Sessel und sagte zu Lolli: »Wir könnten sie dazu bringen zu gehen. Das wäre total einfach. Dann könnten wir hier wohnen.«
Lolli setzte sich neben das kleine Mädchen und spielte mit einer ihrer dunklen Locken. »Was guckst du denn da?«
Das Mädchen zuckte die Achseln.
»Willst du mitkommen und mit uns spielen?«
»Gerne«, sagte das kleine Mädchen. »Fernsehen ist langweilig.«
»Dann wollen wir dich mal schick machen«, sagte Lolli und ging mit dem Mädchen in die hinteren Räume.
Val wandte sich an den Mann. Er wirkte zahm und zufrieden in seinem Sessel und sah sich die Sendung im Fernsehen an.
»Wo ist Ihre andere Tochter?«, fragte Val.
»Ich habe nur die eine«, sagte er leicht verwundert.
»Sie wollen die andere nur verdrängen. Sie ist aber immer noch da.«
»Ich habe noch eine Tochter?«
Val setzte sich auf die Armlehne und beugte sich vor. Dann flüsterte sie: »Sie ist ein Symbol für die beschissene Katastrophe Ihrer ersten Ehe. Jedes Mal wenn Sie sehen, wie groß sie schon geworden ist, merken Sie, wie alt Sie sind. Bei ihrem Anblick bekommen Sie vage Schuldgefühle, so als sollten Sie besser wissen, was ihre Lieblingssportart ist oder wie ihre beste Freundin heißt. Aber das interessiert
Sie ja gar nicht. Wenn Sie so was wüssten, hätten Sie sie wohl kaum vergessen.«
»Hey«, sagte Dave und zeigte den anderen eine fast volle Flasche Cognac. »Der würde Luis schmecken.«
Lolli kam ins Zimmer zurück; sie trug jetzt eine Lederjacke in der Farbe verbrannter Butter und eine Perlenkette. Das kleine Mädchen hatte sich unzählige strassbesetzte Haarklammern in die Locken gesteckt.
»Bist du wenigstens glücklich?«, fragte Val die Frau.
»Ich weiß nicht«, antwortete die Frau.
»Wie kannst du das nicht wissen?«, schrie Val. Sie nahm einen Stuhl und warf ihn auf den Fernseher. Alle zuckten zusammen, als der Bildschirm zersplitterte. »Bist du glücklich?«
»Ich weiß nicht«, wiederholte die Frau.
Als Val ein Bücherregal umwarf, schrie das Mädchen. Draußen vor der Tür wurde gerufen.
Dave fing an zu lachen.
Das Licht des Kronleuchters spiegelte sich in den Kristallen und warf funkelnde Lichter an Decke und Wände. »Kommt, wir gehen«, sagte Val. »Die haben keine Ahnung.«
Das Kätzchen heulte und heulte, es krallte sich mit scharfen Krallen an Lolli fest und sprang mit dem kleinen weichen Körper auf ihr herum. »Lass das, Polly«, murmelte Lolli, drehte sich um und zog sich die Decke über den Kopf.
»Vielleicht ist ihr langweilig«, sagte Val schläfrig.
»Sie hat Hunger«, sagte Luis. »Jetzt gebt ihr endlich was zu fressen.«
Jaulend sprang Polly auf Lollis schwankenden Rücken und rupfte an ihrem Haar.
»Runter mit dir«, befahl Lolli der Katze. »Hol dir ein paar Ratten. Du bist alt genug, um allein klarzukommen.«
Schrill schleifte Metall auf Metall und mit einem trüben Licht kündigte sich eine U-Bahn an. Das Donnern des Zuges übertönte das Geschrei des Kätzchens.
Im letzten Augenblick, als der Bahnsteig lichtüberflutet war, schubste Lolli Polly auf die Schienen, direkt unter die Bahn. Val sprang auf, aber es war zu spät. Die Katze war weg und der Metallrumpf des Zuges rauschte vorbei.
»Warum zum Teufel hast du das gemacht?«, schrie Luis.
»Sie hat sowieso nur alles vollgepisst«, sagte Lolli, rollte sich zusammen und schloss die Augen.
Val sah Luis an, aber der schaute weg.
Als Ravus mit ihrer Haltung zufrieden war, brachte er ihr einen Schritt bei, den sie so oft wiederholen musste, bis ihr alles wehtat und sie davon überzeugt war, dass er sie für blöd hielt, ja so lange, bis sie ihn für den schlechtesten Lehrer aller Zeiten hielt. Er lehrte sie jeden Schritt, jede Bewegung, bis sie automatisch kam, so wie eine Gewohnheit, etwa wie sie an der Haut ihrer Fingernägel herumbiss oder wie sie sich die Nadel in den Arm stach.
»Ausatmen«, rief er. »Atme erst aus und schlag dann zu.«
Sie nickte und versuchte, sich alles zu merken, alles zu tun.
Val durchsuchte gerne Mülltonnen mit Dave, ging gerne durch die Straßen und genoss die Jagd und die gelegentlichen Superfunde - wie den Stapel Steppdecken mit Silberfutter, die Umzugsunternehmen zum Polstern von Möbeln nahmen. Die Decken, die sie neben einer Mülltonne gefunden hatten, hielten sie jetzt alle vier schön warm, sogar mitten im November. Auch ein cooles Telefon mit Wählscheibe hatten sie gefunden
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