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Elfenherz

Titel: Elfenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Black
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doch stattdessen ging sie einen Schritt auf ihn zu, sodass er aufhören musste, mit dem Stock zu gestikulieren. Er legte ihn weg, weil er ihr sonst wehgetan hätte.
»Mir ist kalt«, sagte sie leise. Ihr war in letzter Zeit dauernd kalt, aber es war Winter, und deshalb war das vielleicht ganz normal.
    »Kalt?«, kam das Echo von Ravus. Er nahm ihren Arm und rieb ihn zwischen seinen Händen, die er ansah, als würden sie ihn gerade verraten. »Besser?«, fragte er vorsichtig.
    Seine Haut fühlte sich heiß an, sogar durch den Stoff ihres T-Shirts, und seine Berührung war tröstend und elektrisierend zugleich. Ohne nachzudenken, lehnte sie sich an ihn. Er spreizte die Beine, und rauer Stoff kratzte an ihrer Jeans, als sie nach vorne zwischen seine langen Beine trat.
    Seine Augen waren halb geschlossen, als er sich vom Tisch abstieß und ihre Körper gegeneinanderglitten, ihre Hand noch immer in seinen Händen. Dann erstarrte er plötzlich.
    »Was ist...«, fragte sie, aber er löste sich ruckartig von ihr.
    »Geh«, sagte er und ging zum Fenster, wo er stehen blieb. Sie wusste, dass er es nicht wagen würde, bei Tageslicht die Vorhänge aufzuziehen. »Komm wieder, wenn es dir besser geht. Es bekommt uns beiden nicht, wenn wir trainieren, solange du krank bist. Falls du etwas brauchst, könnte ich...«
    »Es geht mir gut, habe ich doch schon gesagt«, wiederholte Val schriller als beabsichtigt. Sie dachte an ihre Mutter. Hatte sie sich auch so an Tom rangeschmissen? Hatte er sie erst abblitzen lassen?

    Ravus stand immer noch mit dem Rücken zu ihr am Fenster, als sie eine ganze Flasche Nimmer nahm und in ihren Rucksack steckte.

    In dieser Nacht beglückwünschten Lolli und Dave sie zu ihrem Raub und riefen ihren Namen so laut, dass die Leute auf dem Gitter über ihren Köpfen stehen blieben. Luis saß im Schatten, kaute an seinem Zungenring und schwieg.
    Am nächsten Morgen fiel sie wie an den meisten Morgen auf ihre dreckige Matratze und sank in tiefen, traumlosen Schlaf, als hätte sie nie ein anderes Leben gehabt als dieses.

9
    Wer seine Lust unterdrückt,
tut dies, weil sie schwach genug ist,
sich unterdrücken zu lassen.
    WILLIAM BLAKE,
»DIE HOCHZEIT VON HIMMEL UND HÖLLE«

    V al wurde wach, weil sich jemand an dem Reißverschluss ihrer Jeans zu schaffen machte. Sie spürte Finger an ihrer Taille und das Drehen und Zwicken, als der Hosenknopf aufging.
    »Runter«, sagte sie, noch bevor sie kapierte, dass Dave über ihr kauerte. Sie wand sich unter ihm hervor und setzte sich hin, noch rot im Gesicht von dem letzten Rest Nimmer. Ihre Haut war schweißnass, obwohl kalte Luft von oben durch das Gitter wehte, und ihr Mund war staubtrocken.
    »Ach, komm«, flüsterte er. »Bitte.«
    Sie senkte den Blick auf ihre Finger und sah Lollis abgeblätterten blauen Nagellack. An den Füßen trug sie Lollis weiße Stiefel und ausgeblichene blaue Locken fielen ihr über die Schulter.
    »Ich bin nicht sie«, sagte sie mit vor Schlaf und Verwirrung belegter Stimme.

    »Tu doch so als ob«, bat Dave. »Ich kann auch jemand sein, den du willst. Verwandele mich, egal in wen.«
    Val schüttelte den Kopf, als ihr klar wurde, dass er sie verzaubert hatte, sodass sie aussah wie Lolli. Hatte er das auch schon früher mit anderen gemacht? Wusste Lolli Bescheid? Die Vorstellung, jemand anderen vorzuspielen, war haarsträubend, aber da noch Reste von Nimmer in ihren Adern schwammen, fühlte sie sich von der schieren Schlechtigkeit des Vorhabens angezogen. Sie spürte das gleiche Kribbeln, das sie in die Tunnel getrieben hatte, die fröhliche Freude daran, etwas zu tun, was eindeutig und völlig offensichtlich falsch war.
    Egal in wen. Sie sah zu Lolli und Luis hinüber, die dicht nebeneinander schliefen, jedoch ohne sich zu berühren. Val gestattete es sich, Luis’ Gesicht anstelle von Daves zu setzen. Das war nicht schwer, ihre Gesichter waren einander so ähnlich. Daves Gesichtsausdruck veränderte sich zu dem gelangweilten, genervten Blick, der so sehr zu Luis gehörte.
    »Ich wusste, dass du ihn nimmst«, sagte Dave.
    Val neigte den Kopf nach vorn und war überrascht, als ihr die Haare ins Gesicht fielen. Sie hatte vergessen, wie gut man sich dahinter verstecken konnte. »Ich habe noch niemanden genommen.«
    »Aber du wirst es tun. Du willst es tun.«
    »Kann sein.« In Gedanken machte Val die Gestalt über sich vertrauter. Toms harter Irokese glänzte von Haarspray, und wenn er lächelte, zeigte er seine Grübchen.
Sie roch sogar

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