Elfenherz
heißt das nicht, dass man es einfach lassen kann.« Sein Blick wanderte zu Luis, und bei dem Ausdruck in seinen Augen fragte sich Val, was er wohl wirklich dachte.
»Gebt mir auch was«, sagte sie.
Die Tage vergingen wie im Fiebertraum. Tagsüber erledigte Val die Lieferungen und ging dann zu Ravus in die Brücke. In den verschatteten Räumen brachte er ihr den Schwertkampf bei. Nachts drückte sie Nimmer und machte mit Lolli und Dave, was ihnen gerade einfiel. Danach gingen sie manchmal schlafen oder tranken noch etwas, um die Leere zu füllen, die nach dem Rausch kam, wenn die Welt sich wieder in weniger magische Muster fügte.
Es wurde immer schwieriger, an die grundlegenden Dinge zu denken, etwa ans Essen. Nimmer machte aus Brotkrusten Banketttische, die unter dem Speisenaufgebot
ächzten, aber soviel sie auch aß, Val hatte immer Hunger.
»Zeig mir, wie du einen Schläger hältst«, sagte Ravus in der ersten Unterrichtsstunde. Val packte den halbierten Besenstiel wie einen Lacrosseschläger mit beiden Händen, im Abstand von etwa dreißig Zentimetern.
Er schob ihre Hände enger zusammen und weiter nach unten. »Wenn du ein Schwert so halten würdest, würdest du dir die Finger an der Klinge schneiden.«
»Klar, und das würde nur ein Idiot tun«, sagte Val, um zu sehen, was Ravus dazu sagen würde.
Er reagierte nur mit einem leisen Zucken des Mundes. »Ich weiß, das Gewicht fühlt sich falsch an, aber bei einem Schwert ist das anders. Hier.« Er senkte das Glasschwert und gab es ihr in die Hand. »Spüre das Gewicht. Hast du’s? Es ist im Gleichgewicht. Das ist das Allerwichtigste, die Balance.«
»Balance«, wiederholte sie und ließ das Schwert auf ihrer Handfläche wippen.
»Das ist der Knauf«, sagte er und zeigte jeweils auf das, was er erklärte. »Das ist der Griff, Heft genannt, und das hier die Parierstange. Wenn du ein Schwert hältst, ist die Schneide, die du auf den Gegner richtest, immer die lange Schneide. Du musst das Schwert so halten, dass die Spitze deinem Gegner folgen kann. Jetzt stell dich so hin wie ich.«
Sie versuchte, es genauso zu machen wie er, die Beine
auseinander und leicht gebeugt, einen Fuß vor den anderen.
»Fast.« Er schob ihren Körper in Position, ohne Rücksicht darauf, wo er sie berührte. Ihr Gesicht brannte, als er ihre Beine weiter spreizte, aber am peinlichsten war es ihr, dass offenbar nur ihr auffiel, dass seine Hände ihre Beine berührten. Er wollte ihrem Körper etwas beibringen, das war alles.
»Und jetzt«, sagte er, »möchte ich sehen, wie du atmest.«
Manchmal redeten Val, Dave, Luis und Lolli über die seltsamen Dinge, die sie sahen, oder über die Wesen, mit denen sie ins Gespräch kamen. Dave erzählte ihnen, wie er den weiten Weg nach Brooklyn gemacht hatte, nur um dort von einem Wesen durch den Park gejagt zu werden, dem ein kurzes Geweih aus der Stirn wuchs. Er war schreiend weggerannt und hatte die Flasche mit dem unergründlichen Inhalt weggeworfen, ohne sich noch mal umzusehen. Luis berichtete, wie er in der Stadt herumgelaufen war, um ungespritzte Blumen für einen Kobold zu kaufen, der in der Nähe der Cloisters wohnte und sie für die Brautschau brauchte. Für seine Mühen hatte Luis eine Flasche Wein bekommen, die niemals leer sein würde, vorausgesetzt, er schaute nicht durch den Flaschenhals. Und das musste echte Zauberei sein und nicht nur eine magische Täuschung, denn es funktionierte, sogar bei Luis.
»Was geben sie einem denn sonst noch?«, fragte Val.
»Glück«, sagte Luis. »Und Handhabe gegen Elfenflüche.
Mein Dad hat nie etwas aus seinen magischen Fähigkeiten gemacht. Da habe ich andere Pläne.«
»Wie macht man Flüche denn ungeschehen?«, fragte Val.
»Mit Salz, mit Licht. Mit Eierschalensuppe. Kommt ganz auf den Fluch an.« Luis nahm noch einen Schluck aus der Flasche. Er hob den Finger an den Stab, der in seiner Wange steckte. »Vor allem aber mit Eisen.«
In der zweiten Stunde übten sie keine Schwerthiebe, sondern begannen mit der richtigen Haltung und Fußarbeit, vor und zurück auf den staubigen Dielen, den halbierten Besenstiel auf Ravus gerichtet. Drängte Val nach vorne, zog er sich zurück. Er korrigierte sie, wenn sie einen zu großen Schritt machte, die Balance nicht hielt oder ihr Zeh nicht gestreckt war. Sie biss sich vor Frust in die Wange und machte weiter; dabei behielt sie den Abstand zwischen ihnen bei, als warte sie auf eine Schlacht, die nie stattfinden würde.
Auf einmal drehte er
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