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Elfenherz

Titel: Elfenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Black
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klar, dass er es unter diesem Namen nicht kannte. Sie fragte sich, ob er überhaupt wusste, wie es auf Menschen wirkte. Val warf den Kopf zurück, als wollte sie die Worte abschütteln. »Die Elfenmagie. Wo hast du gelernt, die Elixiere magisch zu machen?«
    »Ach das.« Er grinste beinahe verschmitzt. »Das mit der Magie konnte ich schon.«

    In den Tunneln übte Val die gelernten Bewegungen, übte, die Hände so zu verdrehen, als wollte sie ein Küchentuch auswringen. Sie übte die geschwungene Acht und drehte das Schwert in den Händen, wie Mädchen in der Halbzeit mit Flaggen wedelten. In den beweglichen Schatten tanzten imaginäre Gegner, die immer schneller waren, besser die Balance hielten und ein perfektes Timing hatten.
    Val dachte an das Lacrosse-Passtraining und die verschiedenen Schlägerhaltungen; sie erinnerte sich, wie sie gelernt hatte, den Ball vom Schläger abprallen zu lassen und hinter ihrem Rücken oder zwischen ihren Beinen zu fangen.
    Auch diese Techniken probierte sie mit ihrem Besenstiel aus. Nur um zu sehen, ob es funktionierte. Nur um zu sehen, ob sich daraus etwas machen ließ. Sie schleuderte eine Limodose von dem provisorischen Heft ihres Stocks und kickte sie ihren Schattengegnern zu.

    Val sah sich in einer Fensterscheibe, als der Rausch einsetzte. Ihre Haut war wie aus Lehm, endlos formbar. Sie konnte sich verwandeln, wie sie wollte, konnte ihre Augen so groß machen wie bei einer Mangafigur oder ihre Haut über messerscharfe Wangenknochen ziehen.
    Ihre Stirn kräuselte sich, ihr Mund wurde schmal und ihre Nase lang und schleifig. Es war einfach, sich schön zu machen - das langweilte sie bereits -, und viel interessanter, grotesk zu sein. Da gab es unglaublich viele Möglichkeiten.

    Val spielte ein Spiel, dessen Name ihr entfallen war. Man ist im Turm des Geisterbeschwörers eingeschlossen und rennt endlose Treppen hinauf. Auf dem Weg nach oben sammelt man Zaubertränke ein. Einige machten einen kleiner, und andere machten einen riesengroß, sodass man durch all die verschiedenen Türen passte. Irgendwo ganz oben saß ein Alchemist, so weit oben, dass er nicht erkennen konnte, was unter ihm vor sich ging. Irgendwo war auch ein Monster, aber manchmal war der Alchemist das Monster, und das Monster war der Alchemist. Sie hatte ein Schwert in der Hand, aber es verwandelte sich nicht mit ihr und war entweder ein scharfer Zahnstocher in ihrer Hand oder ein riesiges Ding, das sie hinter sich herschleppen musste.
    Als Val die Augen öffnete, stellte sie fest, dass sie auf dem Bürgersteig lag, mit Schmerzen in der Hüfte und am Rücken. Auf ihrer Wange war das Muster des Betons. In einem stetigen Strom liefen Leute an ihr vorbei. Sie hatte schon wieder das Training verpasst.
    »Was hat die Frau?«, hörte sie ein Kind fragen.
    »Sie ist nur müde«, antwortete die Mutter.
    Das stimmte, Val war müde. Sie schloss die Augen und kehrte zu ihrem Spiel zurück. Sie musste das Monster finden.

    An manchen Nachmittagen kam sie in der Brücke an, ohne nach der Nacht noch im Tunnel gewesen zu sein. Der magische Aufruhr leckte noch an ihren Adern, ihre Augen fühlten sich an den Rändern wie versengt an, wie
mit Asche ausgekleidet, und ihr Mund war trocken von unlöschbarem Durst. Sie versuchte, ihre Hände ruhig zu halten, damit sie nicht zitterten und ihre Schwäche verrieten. Wenn sie einen Schlag verfehlte, tat sie so, als läge es nicht daran, dass ihr schwindelig oder schlecht war.
    »Geht es dir nicht gut?«, fragte Ravus eines Morgens, als sie besonders zittrig war.
    »Alles bestens«, log Val. Ihre Adern fühlten sich trocken an. Sie spürte, wie sie in ihren Armen pulsierten, wie weh die verschorften schwarzen Wunden in den Ellbogenbeugen taten.
    Er schwang sich auf eine Ecke seines Arbeitstisches und zeigte mit dem Übungsstock auf ihr Gesicht, als wäre es ein Zauberstab. Val hob instinktiv die Hand, doch wenn er sie wirklich hätte schlagen wollen, wäre es längst zu spät gewesen, den Schlag abzuwehren.
    »Du bist bemerkenswert blass. Deine Paraden sind eine Schande...« Mehr sagte er nicht.
    »Ich glaube, ich bin ein wenig müde.«
    »Sogar deine Lippen sind bleich«, sagte er und zeichnete deren Umriss mit der Holzklinge in die Luft. Sein Blick war konzentriert und unnachgiebig. Sie wollte den Mund aufmachen und ihm alles erzählen, dass sie die Droge stahlen, von dem Zauber, den sie ihnen schenkte, von all den wirren Gefühlen, die sich in ihrem Inneren gegenseitig auslöschten -

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