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Elfenherz

Titel: Elfenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Black
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sich zur Seite weg und zwang sie, ihm ungeschickt zu folgen. »Schnelligkeit, Timing und Balance. Das braucht man, wenn man ein guter Kämpfer werden will.«
    Val biss die Zähne zusammen und machte den nächsten falschen Schritt.
    »Hör auf zu denken«, sagte er.
    »Ich muss denken«, erwiderte Val. »Du hast gesagt, ich soll mich konzentrieren.«
    »Wenn du denkst, wirst du langsam. Du musst dich
schon bewegen, wenn ich mich bewege. Im Moment stolperst du nur hinter mir her.«
    »Woher soll ich wissen, wo du hinwillst, wenn du da noch gar nicht bist? Das ist doch Blödsinn.«
    »Das ist, wie wenn man sich überlegt, wo der Gegner hinwill. Woher weißt du denn, wo der Ball auf dem Lacrossefeld wahrscheinlich landen wird?«
    »Alles, was du über Lacrosse weißt, hast du von mir«, sagte Val.
    »Das Gleiche könnte man über dich und den Schwertkampf sagen.« Er brach ab. »Da. Du hast es gemacht. Du warst so damit beschäftigt, sauer auf mich zu sein, dass du es gar nicht gemerkt hast.«
    Val runzelte die Stirn, zu verärgert, um sich zu freuen, aber zu zufrieden, um weiterzuschimpfen.

    Lolli, Dave und Val liefen durchs West Village und verwandelten welke Blätter in eine Parade von Fröschen, die mit Edelsteinen besetzt in chaotischen Mustern hüpften. Sie brachten Passanten durch Magie dazu, die Frösche zu küssen, und stellten auch sonst allen möglichen Unfug an, der ihnen gerade einfiel.
    Val schaute prüfend auf die andere Straßenseite, durch die zarten Vorhänge einer Parterrewohnung. Sie sah einen Kronleuchter mit geschnitzten Affen und funkelnden Kristallperlen.
    »Ich will da rein«, sagte Val.
    »Los«, sagte Lolli.

    Dave ging zur Tür und drückte auf die Klingel. Die Gegensprechanlage erwachte zum Leben und eine entstellte Stimme sagte etwas Unverständliches.
    »Ich hätte gern einen Cheeseburger«, sagte Dave laut lachend, »und einen Milchshake und Zwiebelringe.«
    Die Stimme sprach wieder, lauter diesmal, aber Val verstand immer noch kein Wort.
    »So«, sagte sie und schob Dave beiseite.
    Sie drückte auf die Klingel und ließ nicht los, bis ein Mann mittleren Alters an die Tür kam. Er trug eine verschlissene Cordhose und darüber ein T-Shirt, das seinen kleinen Bauch kaschierte. Die Brille hing ihm tief auf der Nase.
    »Was soll das?«, wollte er wissen.
    Val spürte, wie das Nimmer durch ihre Adern zischte und schäumte wie perlender Champagner. »Ich möchte reinkommen«, sagte sie.
    Das Gesicht des Mannes wurde schlaff und er hielt die Tür weit auf. Val lächelte ihn an, als sie an ihm vorbei in die Wohnung ging.
    An den gelb gestrichenen Wänden hingen Fingermalereien in Goldrahmen. Eine Frau lag mit einem Glas Wein in der Hand auf dem Sofa. Als Val ins Zimmer trat, zuckte sie zusammen und verschüttete die rote Flüssigkeit auf ihre Bluse. Ein kleines Mädchen saß auf einem Teppich zu Füßen der Frau und sah eine Sendung im Fernsehen, in der es um kämpfende Ninjas ging. Das Mädchen drehte sich um und lächelte.

    »Was für eine schöne Wohnung«, sagte Lolli, die noch an der Tür stand. »Wer lebt denn so?«
    »Keiner«, antwortete Dave. »Sie holen sich Putzfrauen und Dekorateure, um ein schönes Leben vorzutäuschen.«
    Val ging in die Küche und machte den Kühlschrank auf. Er enthielt Fertiggerichte, ein paar alte Äpfel und eine Packung Magermilch. Val biss in einen Apfel. Er war braun und mehlig, aber immer noch süß. Sie konnte gar nicht verstehen, warum sie bisher keine braunen Äpfel gegessen hatte.
    Lolli nahm die Weinflasche vom Beistelltisch und bediente sich. Der rote Saft lief ihr über Kinn und Wangen.
    Während sie weiter den Apfel aß, ging Val zum Sofa, auf dem die Frau wie betäubt sitzen geblieben war. Die hübsch eingerichtete Wohnung mit den modernen Möbeln und der glücklichen Familie erinnerte Val an das Haus ihres Vaters. Sie passte hier genauso wenig hin wie dort. Sie war zu wütend, zu verwirrt, zu verlottert.
    Und wie sollte sie bitte ihrem Vater beibringen, was Tom und ihre Mutter getan hatten? Da konnte sie ihrem Vater ja gleich beichten, dass sie schlecht im Bett war. Aber wenn sie es ihm nicht sagte, würde seine neue Frau sie bis in alle Ewigkeit als eine Art lebendiger Filmstoff abstempeln, als gestörten Teenager auf Abwegen, dem man nur mit liebevoller Strenge beikommen konnte. »Da hast du’s«, würde Linda sagen. »Sie ist genau wie ihre Mutter.«
    »Du hast mich nie gemocht«, sagte Val zu der Frau auf dem Sofa.

    »Nein«, sagte die Frau

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