Elfenherz
Mädesüß, in T-Shirts und Wämsen, mit Rosen bestickt oder ohne alles, mit schimmernder Haut im Mondlicht. Val begegnete einem Wesen aus Zweigen mit einem Gesicht aus geschnitzter Rinde sowie einem Männchen, das sie durch ein Opernglas mit Linsen aus blauem Strandglas ausspähte. Sie traf einen Mann mit Stacheln auf dem Buckel, der nach Sandelholz duftete und ihr bekannt vorkam. Jedes Elfenwesen erschien ihr strahlend hell wie eine lodernde Flamme und wild wie der Wind. Ihre Augen glühten heiß und grausam im Mondlicht; Val fürchtete sich.
Auch waren Tischtücher da, entlang des Seeufers, die mit Gold durchwirkt waren und ächzten unter all den Köstlichkeiten. Datteln, Quitten und Sharonfrüchte lagen auf Tellern welker, trockener Blätter, neben Karaffen
mit Saphir- und Peridotweinen. Kuchen mit überbordenden gerösteten Eicheln stapelten sich neben Spießen aus schlaffen Tauben und Tassen voll zähflüssigen Sirups. Daneben war eine Pyramide aus Ravus’ weißen Äpfeln, deren rotes Kerngehäuse durch die papierdünne Haut schimmerte und Val Linderung ihrer Schmerzen versprach.
Sie vergaß ihre Furcht.
Val grapschte nach einem Apfel und biss in das warme, süße Fleisch. Es glitt wie ein blutiges Stück Fleisch durch ihre Kehle. Sie unterdrückte die Übelkeit und biss immer wieder zu. Der Saft rann über ihr Kinn, als die Apfelschale unter ihren scharfen Zähnen riss. Es war kein Nimmer, aber es reichte, um ihre Glieder zu betäuben, und half gegen das Zittern.
Erleichtert sank Val am See nieder. Ein Wesen aus Moos und Flechten tauchte für einen Augenblick mit einem Zinnfisch im Maul auf, der sich heftig wehrte, und ging dann wieder unter. Val war zu müde, um sich zu bewegen, und so erleichtert, einfach nur gesättigt zu sein, dass sie sich mit Zuschauen begnügte. Überrascht stellte sie fest, dass sie nicht das einzige menschliche Wesen war. Ein sehr junges Mädchen hatte den Kopf in den Schoß einer blauen Elfe mit schwarzen Lippen gelegt, die winzige Glöckchen und Floridaklee in die Kinderzöpfe flocht. Ein ergrauender Mann im Tweedmantel kniete neben einem grünen Mädchen mit moosig triefendem Haar. Zwei junge Männer aßen scheibchenweise weiße Äpfel direkt von der Klinge und leckten das Messer ab, um jeden Tropfen Saft aufzufangen.
Waren das die Naschkatzen? Menschliche Leibeigene, bereit, für einen Hauch Nimmer alles zu tun, ohne auch nur zu ahnen, wie es war, wenn man es spritzte oder rauchte? Nimmer, sagte Val zu sich selbst. Nimmer mehr nimmer. Nimmer Nimmer NimmerNimmerLand. Sie hatte es nicht nötig, die Schatten tanzen zu lassen. Sie musste nicht länger auf ihrer schlechten Wahl beharren und damit angeben, dass sie zumindest ihren eigenen Untergang frei gewählt hatte. Egal wie schlecht ihre Entscheidungen waren, sie hielten weiteres Unheil nicht ab.
Ein Elf kam die Treppe hinunter; irgendetwas stimmte mit seiner Haut nicht, sie war fleckig und brodelte an einigen Stellen. Ein Ohr und der halbe Hals sahen aus, als wären sie grob aus Lehm geformt. Einige Elfen wichen zurück, als er über die Terrasse schlenderte.
»Eisenkrankheit«, sagte jemand hinter Val. Als Val sich umdrehte, entdeckte sie eine der Elfen mit honigfarbenem Haar, die sie am Washington Square kennengelernt hatte. Sie war immer noch barfuß, doch hier trug sie einen Fußring aus Ilexbeeren.
Val lief ein Schauer über den Rücken. »Das sieht wie verbrannt aus.«
»Angeblich wird es uns allen so ergehen, wenn wir nicht immer schön im Park bleiben oder dorthin zurückgehen, woher wir gekommen sind.«
»Bist du hierher verbannt worden?«
Das Elfenmädchen nickte. »Ich hatte einen Liebhaber, der auch mit einem hoch angesehenen Lord zusammen
war. Er ließ es so aussehen, als hätte ich einen Stoffballen mitgehen lassen. Der Stoff war verzaubert, die Sorte, die einem Geschichten zeigt - also wertvoll -, und die Strafe des Webers wäre wahrscheinlich sowohl elegant als auch streng ausgefallen. Meine Schwestern sind mit mir ins Exil gegangen, und hier bleiben wir, bis wir meine Unschuld beweisen können. Und was ist mit dir?«
Val hatte sich vorgebeugt, in Gedanken bei dem magischen Stoff. Die Frage traf sie unvorbereitet. »Ich war auch im Exil, könnte man sagen.« Dann fragte sie, nachdem sie den Blick hatte schweifen lassen: »Ist es immer so wie heute? Kommen die Verbannten jede Nacht hierher?«
Die Elfe mit den Honighaaren lachte. »Oh ja. Wenn man schon in der Eisenwelt sein muss, kann man sich
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