Elfenherz
dir fertig bin, drücke ich Luis das andere Auge aus und mache mir aus euren Knochen eine neue Harfe.«
»Flicht mich in deine Harfe ein«, zischte Val, »und ich werde dich jedes Mal verfluchen, wenn du die Saite zupfst.«
Roiben stand auf. »Bist du mit den Bedingungen des Wettkampfs einverstanden?«, fragte er. Val hatte den Eindruck, dass er ihr die Chance einräumte, etwas Bestimmtes zu tun, aber sie wusste nicht, was.
»Nein«, antwortete Val. »Ich kann nicht mit Luis schachern, er hat mit meiner Herausforderung nichts zu schaffen.«
»Ich kann mit mir selbst schachern«, sagte Luis. »Ich bin mit Mabrys Bedingungen einverstanden, vorausgesetzt, sie setzt noch was drauf. Sie kann mich haben, aber wenn Val gewinnt, sind wir frei. Wir dürfen gehen.«
Val warf Luis einen dankbaren Blick zu. Er hatte gut aufgepasst, während sie von ihrer eigenen Dummheit überwältigt war.
Roiben nickte. »Gut, gut. Wenn die Sterbliche gewinnt, gebe ich ihr und ihrem Gefährten freies Geleit durch mein Gebiet. Und da ihr die Rahmenbedingungen für euren Kampf noch nicht festgelegt habt, werde ich das für euch übernehmen: Ihr kämpft, bis der erste Tropfen Blut fließt.« Seufzend fügte er hinzu: »Glaubt ja nicht, dass diese Bedingungen auf Mitleid beruhen. Es dürfte nicht besser für euch sein zu leben, als tot zu sein, wenn Mabry eure Herzen und Knochen gewinnt. Ich dagegen habe einige Fragen an Mabry, für die ich sie lebend brauche, damit sie sie beantworten kann. Und nun, Distelwolle,
nimm den Sterblichen die Ketten ab und reiche dem Mädchen ihre Waffen.«
Der Mann mit den goldenen Haaren schloss mit einem scharf gezackten Schlüssel die Handschellen auf. Dumpf fielen sie zu Boden, das Echo hallte durch das Gewölbe.
Einen Augenblick später stand auch Luis auf und rieb sich die Handgelenke.
Eine Frau mit Kinnhaaren, die so lang waren, dass sie zu Zöpfchen geflochten waren, brachte Val das Glasschwert. Die Frau kniete mit einem Bein auf dem Boden und hob die Klinge mit den Handflächen. Tamsons Schwert. Val warf Mabry einen verstohlenen Blick zu, aber sie zeigte keinerlei Reaktion beim Anblick des Schwerts. Selbst wenn sie sich daran erinnerte, wem es einst gehört hatte, gab sie es nicht preis.
»Du schaffst das«, sagte Luis. »Was weiß die schon vom Kämpfen? Sie ist kein Ritter. Du darfst dich nur nicht von ihrem Schutzschild verwirren lassen.«
Der Schild. Val suchte mit dem Blick ihren Rucksack, der immer noch über Luis’ Schulter hing. Darin war eine fast volle Flasche Nimmer. Wenn der Schild Mabrys Waffe war, dann konnte Val sich ihrer eigenen Mittel bedienen. »Gib mir den Rucksack«, sagte sie zu Luis. Luis ließ den Rucksack heruntergleiten und gab ihn ihr.
Val griff hinein und berührte die Flasche. Als sie weiterkramte, fand sie ihr Feuerzeug. Es würde nur einen Augenblick dauern und Val wäre durchflutet von Macht.
Als sie sich umdrehte, entdeckte sie zufällig ihr Spiegelbild
im Glas der Klinge, sah ihre blutunterlaufenen Augen und ihre schmutzige Haut, bevor die wandernden Lichter unter dem Hügel das Schwert plötzlich hell erstrahlen ließen. Val dachte an das Mädchen, Nancy, das vor einen Zug gelaufen war, weil sie so viel Nimmer genommen hatte, dass sie nicht einmal die Scheinwerfer gesehen und den Warnruf gehört hatte. Was würde Val entgehen, wenn sie sich ihren eigenen Illusionen hingab? Die Wucht dieser Erkenntnis traf ihren Magen wie ein verschluckter Stein: Sie musste das hier tun, ohne dass Nimmer unter ihrer Haut sang.
Val musste Mabry mit dem bekämpfen, was sie hatte - jahrelange Lacrossepraxis, das wochenlange Schwerttraining, Faustkämpfe mit den Nachbarkindern, die nie sagten, dass sie wie ein Mädchen kämpfte, und den Schmerz, der ihren Körper über die Grenzen dessen trieb, was sie glaubte, ertragen zu können. Val konnte Feuer nicht mit Feuer bekämpfen, aber sie konnte mit Eis dagegen angehen.
Sie ließ das Feuerzeug fallen und nahm das Glasschwert aus den Händen der Frau mit den Kinnhaaren entgegen.
Ich darf nicht fallen, ermahnte sie sich, in Gedanken bei Ravus und Dave und den Dominosteinen in sauberen kleinen Reihen. Ich darf nicht hinfallen und ich darf nicht versagen.
Der Hofadel hatte einen viereckigen Platz in der Mitte des Hofes freigeräumt. Val schlüpfte aus ihrem Mantel. Als er auf den Boden fiel, kribbelte die Kälte auf den Haaren
an ihren Armen. Sie holte tief Luft und roch ihren eigenen Schweiß.
Mabry löste sich aus der Menge, in Nebel
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