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Elfenherz

Titel: Elfenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Black
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waren rot gerändert, ihr Gesicht ungeschminkt und ihre Haare ungekämmt. Val fühlte alles auf einmal: Schuldgefühle, weil sie ihre Mutter so fertiggemacht hatte, eine tiefe Das-geschieht-ihr-recht-Befriedigung, weil ihre Mutter litt, und unendliche Erschöpfung. Sie wünschte sich, dass sie beide aufhörten, sich so schlecht zu fühlen, hatte aber keine Ahnung, wie das gehen sollte.
    Vals Mutter ging langsam die letzten Stufen hinunter und nahm sie fest in den Arm. Val lehnte sich an die Schulter ihrer Mutter und roch Seife und einen Hauch Parfüm. Ihre Augen brannten von dem Gefühlsüberschwang und sie riss sich los.
    »Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Ständig habe ich mir vorgestellt, du würdest einfach so hier reinkommen, so wie jetzt, aber du kamst nicht. So viele Tage bist du nicht gekommen.« Ihre Stimme wurde schriller und brach.
    »Jetzt bin ich da«, sagte Val.
    »Oh, mein Liebes.« Vals Mutter streckte zögernd die Hand aus, um über Vals Kopf zu streichen. »Du bist so dünn. Und deine Haare...«
    Val wand sich unter ihrer Hand weg. »Lass das, Mom. Ich mag meine Frisur.«
    Ihre Mutter wurde blass. »So habe ich das nicht gemeint.
Du siehst immer schön aus, Valerie. Du siehst nur so anders aus.«
    »Ich bin anders.«
    »Val«, mahnte Luis. »Die Schlüssel.«
    Sie sah ihn böse an und holte tief Luft. »Du musst mir den Wagen leihen.«
    »Du warst wochenlang weg.« Vals Mutter sah Luis zum ersten Mal an. »Du darfst nicht wieder gehen.«
    »Morgen bin ich wieder da.«
    »Nein.« Vals Mutter hörte sich panisch an. »Valerie, es tut mir so leid. Alles tut mir leid. Du kannst dir nicht vorstellen, was ich mir für Sorgen gemacht habe, was ich mir alles vorgestellt habe. Die ganze Zeit habe ich auf den Anruf gewartet, dass die Polizei dich tot im Graben gefunden hat. Das kannst du mir nicht noch mal antun.«
    »Ich muss etwas erledigen«, sagte Val. »Und ich habe nur wenig Zeit. Weißt du, ich verstehe das mit dir und Tom nicht. Ich weiß nicht, was du dir dabei gedacht hast und wie es dazu kommen konnte, aber...«
    »Du denkst bestimmt, ich...«
    »Aber es macht mir nichts mehr aus.«
    »Aber warum...«, setzte ihre Mutter an.
    »Das hier hat nichts mit dir zu tun, aber ich kann nicht nach Hause kommen, bevor ich diese Sache erledigt habe. Bitte.«
    Ihre Mutter seufzte. »Du bist durch die Führerscheinprüfung gefallen.«
    »Kannst du fahren?«, fragte Luis.

    »Ich habe eine Fahrerlaubnis«, sagte Val zu ihrer Mutter und sah dann Luis von der Seite an. »Fahren kann ich gut, ich kann nur nicht gerade einparken.«
    Vals Mutter tappte in die Küche und kam zurück mit einem Schlüsselbund mit einem R aus Strass daran, an dem ein Schlüssel und ein Handsender für die Alarmanlage hingen. »Ich schulde dir einen Vertrauensvorschuss, Valerie, also bitte. Enttäusche mich nicht.«
    »Mache ich nicht.«
    Vals Mutter ließ die Schlüssel in ihre Hand fallen. »Versprichst du mir, dass du morgen wiederkommst? Versprich es.«
    Val erinnerte sich daran, wie ihre Lippen gebrannt hatten, als sie ihr Versprechen gebrochen hatte, rechtzeitig zu Ravus zurückzukehren. Sie nickte. Luis hielt ihr die Haustür auf. Val setzte sich in Bewegung, ohne ihre Mutter anzusehen. »Du bist immer noch meine Mom«, sagte Val.
    Als sie die Treppe vor dem Hauseingang hinunterging, schien ihr die Sonne ins Gesicht, und sie konnte sich vorstellen, dass wenigstens eine Sache wieder ins Lot kommen würde.

    Val steuerte das Auto über die vertrauten Straßen und achtete darauf, zu blinken und nicht zu schnell zu fahren. Sie hoffte inständig, dass sie nicht rausgewunken wurde.
    »Weißt du was?«, sagte Luis. »Als ich das letzte Mal in einem Auto gesessen habe, war das die Mühle von meiner
Oma, mit der wir zum Supermarkt gefahren sind, irgendwann in den Ferien, Thanksgiving, glaube ich. Sie wohnte auf Long Island, wo man alles mit dem Auto erledigt. Ich kann mich dran erinnern, weil mein Dad mich vorher beiseitegenommen hatte, um mir die Kobolde im Garten zu zeigen.«
    Val schwieg und konzentrierte sich auf den Verkehr.
    Sie fuhr den Miata durch die Säulen, die den Eingang zum Friedhof markierten. Sie waren aus Backstein, von blattlosen Ranken überwuchert. Der Friedhof erstreckte sich über einen Hügel mit vielen weißen Grabsteinen und Grabgewölben. Jetzt, Ende November, war das Gras immer noch grün.
    »Kannst du was erkennen?«, fragte Val. »Für mich sieht das aus wie jeder andere Friedhof.«
    Luis antwortete nicht

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