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Elfenherz

Titel: Elfenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Black
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sofort. Er starrte aus dem Fenster und hob gedankenverloren eine Hand an die Fensterscheibe, die allmählich beschlug. »Du bist eben blind.«
    Als Val auf die Bremse trat, blieben sie ruckartig stehen.
    »Was siehst du?«
    »Sie sind überall.« Luis legte die Hand auf den Türgriff, seine Stimme war kaum mehr als ein Hauch.
    »Luis?« Val zog den Zündschlüssel heraus.
    Seine Stimme kam wie aus weiter Ferne, als spräche er mit sich selbst. »Wahnsinn, wie sie aussehen. Lederne Flügel, schwarze Augen, lange Krallenfinger.« Dann sah er zu Val hin, als wäre sie ihm gerade wieder eingefallen. »Runter mit dir!«

    Sie warf sich über ihn, ihr Kopf landete in seinem Schoß, als seine warmen Arme sie umfingen und ein Wind über das Autodach peitschte.
    »Was ist los?«, schrie Val über den heulenden Sturm. Etwas kratzte über das Dach und die Haube wackelte.
    Dann beruhigte sich das Getöse in der Luft und löste sich in nichts auf. Als Val vorsichtig den Kopf hob, sah es für sie so aus, als hätte sich nicht ein Blatt bewegt. Der Friedhof lag völlig reglos da.
    »Der Wagen ist durch und durch aus Glasfaser.« Luis schaute nach oben. »Wenn sie wollen, kommen sie mit ihren Krallen locker durch das Dach.«
    »Und warum tun sie es nicht?«
    »Wahrscheinlich warten sie ab, ob wir nur Blumen an ein Grab legen wollen.«
    »Brauchen sie nicht, wir steigen aus.« Val lehnte sich zurück, holte das Glasschwert vom Rücksitz und wickelte es aus. Luis griff sich ihren Rucksack und warf ihn über die Schulter.
    Val schloss die Augen und holte tief Luft. Ihr Magen war verkrampft wie vor einem Lacrossespiel, aber hier ging es um etwas anderes. Ihr Körper fühlte sich kühl an, mechanisch. Ihre Sinne waren aufs Höchste gespannt, nahmen das leiseste Geräusch wahr, jede Veränderung in Farbe und Form, und blendeten den Rest aus. Adrenalin schoss ihr ins Blut, vereiste ihre Finger und beschleunigte ihren Herzschlag.
    Mit einem Blick auf das Schwert öffnete Val die Wagentür
und trat auf den Kiesboden. »Ich komme in friedlicher Absicht«, sagte sie. »Bringt mich zu eurem Herrscher.«
    Unsichtbare Finger schlossen sich um ihre Haut, zwickten sie, zerrten an ihren Haaren, schubsten und zogen sie in den Hügel hinein, wo Grasbüschel zum Leben erwachten und von der schwarzen Erde forttrippelten. Val wollte schreien, als sie hinfiel und mit dem Gesicht in der Erde landete. Ihr Schrei wurde von der fruchtbaren Erde erstickt; es roch nach Mineralien. Sie drückte die Arme in den Boden und versuchte aufzustehen, aber Erde, Steine und Gras gaben unter ihr nach, und sie stürzte in die wurzelige Dunkelheit.

    Val erwachte, in goldene Ketten gelegt, in einem Saal voller Elfen.
    Auf einem Podium aus Erde saß ein weißhaariger Ritter auf einem Thron aus geflochtener Birke. Die Rinde war bleich wie Knochen. Er beugte sich vor und winkte ein Mädchen mit grüner Haut und Flügeln heran, das Val aus fremdartigen schwarzen Augen ansah. Die geflügelte Elfe bückte sich und sprach leise mit dem Ritter auf dem Thron. Seine Lippen verzogen sich zu einem angedeuteten Lächeln.
    Über ihr wölbte sich die Unterseite des Hügels, hohl wie eine Schüssel und mit langen Wurzeln behangen, die sich wie greifende Finger bogen, die das Gewünschte nicht erreichen konnten.

    Um Val herum flüsterte, blinzelte und staunte eine Schar von Elfen. Einige waren groß und dünn wie Stöcke, andere winzige Wesen flitzten durch die Luft, wie die Nadelnixe es getan hatte. Die einen hatten Hörner, die sich von ihrer Stirn nach hinten wanden wie Ranken, andere warfen fleckige grüne Mähnen in den Nacken, so dick wie Garn auf einer Spule, und wieder andere trippelten auf seltsamen Füßen, die man nicht für möglich gehalten hätte. Val zuckte zurück, als ein Mädchen näher kam, mit puderartigen Flügeln und Fingern, die von mondsteinweiß bis zu blau an den Fingerspitzen immer dunkler wurden. Wo sie auch hinsah, sie entdeckte nichts Vertrautes. Jetzt hatte sie den ganzen langen Weg durch das Kaninchenloch hinter sich und war ganz unten gelandet.
    Ein geschrumpfter Mann mit langem goldenen Haar kniete vor dem Wesen auf dem Thron nieder und erhob sich wieder mit der Anmut eines Jungen. Er warf Val einen hinterhältigen Blick zu. »Sie haben den Eingang gefunden, als hätte sie jemand geleitet, aber wer sollte ein Menschenpärchen hierher führen? Ein kleines Rätsel zu Eurer Freude, mein Herr Roiben.«
    »Wie du sagst.« Roiben nickte ihm zu und der Elf trat

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