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Elfenkind

Elfenkind

Titel: Elfenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inka-Gabriela Schmidt
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was.
    Wer bist du? Aliénor erschrak über sich selbst. Jetzt versuchte sie schon, per Telepathie mit einem imaginären Fremden zu reden. Hatte Christof irgendwelche Drogen in die Getränke gegeben?
    Das erkläre ich dir später. Komm endlich, folge meiner Stimme, ich werde dich leiten.
    Er antwortete tatsächlich klar und deutlich auf ihre Gedanken. Was waren das für akustische Trugbilder?
    «Was soll das?», sagte sie laut vor sich hin, mehr um sich selbst zu beruhigen und ihre eigene Stimme zu hören.
    Du bist in großer Gefahr.
    Er klang näher als zuvor. Aliénor riss die Augen weiter auf, obwohl es ihr in der Dunkelheit nicht half, und schüttelte sich, um den Zustand der Benommenheit loszuwerden, der sie wieder erfasst hatte. Sie spürte ein hysterisches Lachen ihre Kehle hinaufsteigen. Wieso sollte sie denn in Gefahr sein?
    Schneller.
    Die Stimme klang besorgt. Sehr besorgt. Oder ungeduldig?
    Das ist doch alles gar nicht wahr , dachte sie mit einem letzten Zögern.
    Was dann geschah, unterlag kaum mehr Aliénors Willen. Als lenke sie eine fremde Macht, schob sie sich an der Wand entlang zu einer Treppe, setzte einen Fuß auf die Stufe und noch einen, schließlich Schritt um Schritt an einer Abzweigung in den nächsten dunklen Gang zu ihrer Linken hinein. Ich darf aber nicht abbiegen.
    Schritte. Schnell und laut. Dann Schreie. Panische Schreie. Aliénors Puls jagte. Sie wirbelte herum. Der Schall brach sich an den Wänden. Was geschah hier?
    Es war ihr, als flackere ein Licht von einer weiteren Treppe herab. Ohne weiter nachzudenken raffte sie ihren Rock und stürmte so schnell empor, wie es ihre Schuhe zuließen. Der Widerhall war gespenstisch.
    Das war nicht vor, sondern hinter ihr. Sie drehte sich unschlüssig um, ob sie zurückkehren sollte. Aber sie hatte ihre Beine nicht mehr unter Kontrolle. Etwas oder jemand lenkte sie. Stolpernd hastete sie den Gang entlang, auf einen schwachen Lichtschein zu. Dann ging das Licht plötzlich aus. Sie fühlte sich um die Hüfte gepackt, in eine Nische gezogen und eine Hand in einem Lederhandschuh presste sich auf ihren Mund.
    «Nicht schreien. Sei ganz still, ich bringe dich hier heil heraus», flüsterte die unterdessen vertraute Stimme an ihrem Ohr.
    Aliénors Herz pochte so laut vor Angst, dass sie meinte, es müsse deutlich zu hören sein. Wer war er und warum …?
    «Später», beantwortete er leise ihren Gedanken. «Ich werde dir alles erklären. Du musst mir vertrauen, um zu leben.»
    Die Hand verschwand von ihrem Mund. Sie fühlte sich von ihm an der Hand genommen und fortgezogen. Obwohl es stockfinster war, lief sie sicher und ohne ein einziges Mal zu straucheln hinter ihm her. Sie wollte fragen, schreien – aber sie konnte nicht. Selbst als hinter ihnen das Inferno aus hysterischem Kreischen und wildem Gebrüll regelrecht explodierte, blieben sie nicht stehen. Der Fremde zog sie einfach weiter hinter sich her.
    Oh, maman … Das waren nicht einfach irgendwelche Schreie. Es waren Angst und Panik, die in den verzweifelten Schreien lagen. Todesschreie. Begleitet von einem irren Lachen und einem metallischen Klirren, als schlüge jemand mit Ketten oder einem Hammer gegen die Wände. Es war absolut unwirklich. Doch trotz des Lärms und der lauten Musik erkannte sie in den Schreien die Stimmen derer, mit denen sie heute Nacht hierher gekommen war.

7
    Frédéric beugte sich mit plötzlichem Interesse über eines der alten Manuskripte im Domarchiv. Er hatte nicht wirklich damit gerechnet, hier etwas zu finden, aber jeder noch so kleinen Spur musste nachgegangen werden. Nun schien es, dass sich der Besuch wirklich gelohnt hatte.
    Wie hatte eine solche Schrift, vermutlich nicht nur Hunderte, sondern gar Tausende Jahre alt, nur ihren Weg ausgerechnet hierher gefunden? Noch dazu aus Ägypten. War sie mit den Römern hierher gekommen? Und warum war sie bisher nicht entdeckt worden?
    Doch das waren Fragen, mit denen er – oder besser noch seine Schwester – sich später befassen konnte. Zunächst einmal vertiefte er sich in den Text. Er fluchte leise, dass er nicht der Gelehrte war, den der Hüter aus ihm machen wollte. Seiner Schwester wäre das Entziffern der Zeichen sicher nicht schwer gefallen. Ob er es wagen sollte, die Schrift mitzunehmen?
    Er dachte noch darüber nach, als die wachsende Unruhe, die ihn schon die ganzen letzten Tage erfüllt hatte und die über die letzten Stunden merkbar angewachsen war, zu einem plötzlichen Höhepunkt kam. Er hatte sich bisher

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