Elfenkind
sagen!»
Valentine ignorierte den Spanier und wandte sich wieder an ihren Bruder. «Hast du im Domarchiv etwas herausfinden können?», wechselte sie demonstrativ das Thema. «Die Lage wird langsam prekär. Die Erdkruste reißt in Gräben von mehreren Hundert Kilometern Breite auf! Wer von den Menschen kann, flüchtet voller Panik, alle Straßen und Flughäfen sind total überlastet.»
Frédéric nickte. Auch er hatte das Geschehen in den Nachrichten verfolgt. «Ich habe tatsächlich etwas herausgefunden. Die Prophezeiung ist schon in einer Schrift genannt, die über fünftausend Jahre alt ist. Das ist das älteste Dokument, mit dem wir es bisher zu tun hatten. Keine Ahnung, wie es in das Domarchiv gekommen ist und ob es aufgefallen wäre, hätte ich es mitgenommen. Du solltest es dir dringend ansehen. Ich konnte nicht alles entziffern, aber geschrieben hat es ein Mann namens Nephrim, vermutlich ein Vampir aus Ägypten. Er schreibt darüber, dass wir uns nicht so wichtig nehmen sollen und dass eine Zeit käme, die uns unsere Grenzen aufzeigen würde. Angesichts der Bedrohung würde es notwendig werden, dass alle Spezies sich unter dem Symbol des Pentagramms vereinen, um das Schlimmste zu verhindern.»
Emanuele, der sich bei Frédérics Ausführungen gegen den Schreibtisch gelehnt hatte, verdrehte die Augen. «Aber, mein lieber Frédéric», bemerkte er gelangweilt, «wissen wir das alles nicht schon lange? Früher gab es fünf Vampirkasten, statt drei wie heute. Wenn wir uns darauf zurückbesinnen, haben wir …»
«Unfug!» Frédéric unterbrach ihn ungehalten. «Sind Sie immer noch so borniert zu glauben, es ginge nur um uns? Wir wissen doch längst, dass mit Spezies etwas anderes gemeint ist! Verschiedene intelligente Wesen. Lycanthropen, Elfen – vielleicht ja sogar Menschen.»
Emanuele lachte auf. «Menschen? Das können Sie nicht ernst meinen. Wer würde das Schicksal der Welt in die Hände solch schwacher Wesen legen. Und was die Elfen betrifft – denen kann man nicht über den Weg trauen. Wollen Sie wirklich vorschlagen, mit denen zusammenzuarbeiten?»
«Nur die Zeile im Dunkel geborgen, der Sonne fremd bezieht sich auf uns», beharrte Frédéric. « Im Wandel, der Form nicht treu müssen die Lycanthropen sein. Darin sind wir uns inzwischen einig, auch wenn Sie sich dagegen sträuben wollen. Nephrim schreibt: Sie werden von einem Alpha-Tier angeführt und leben unter dem Mond, dem sie mit lautem Heulen huldigen. Ich finde das ziemlich eindeutig.»
«Ach, richtig. Sie sind ja der Diplomat unter uns und für alles offen, begegnen anderen Geschöpfen ohne Vorurteil. Wie sentimental.» Emanueles Miene drückte Verachtung aus.
«Aufhören! Für solche Kindereien haben wir keine Zeit!» Valentines Stimme war schneidend. «Sie sollten sich lieber auch einmal auf Ihre Arbeit konzentrieren, del Castello. Es ist nicht so, dass Sie schon wirklich etwas Wesentliches beigetragen hätten.»
Emanuele zuckte gleichgültig mit den Schultern. Er nahm sein Glas in die Hand. «Dann trinken Sie jetzt mit mir, schönste aller Frauen, damit ich mich wieder auf die Schriften konzentrieren kann. Ich muss sonst ständig an Sie denken.»
«Merken Sie wirklich nicht, dass Ihre Werbung auf keinerlei Interesse stößt? Warum geben Sie nicht endlich auf, mir auf jede erdenkliche Weise den Hof zu machen?»
Er schüttelte den Kopf. «Aber wie könnte ich? Mein Herz schlägt nun mal nur für Sie. Ich leide …»
«Ich bin mir sicher, es gibt viele Vampirinnen, die gerne Ihre Geliebte oder Frau werden würden. Suchen Sie sich also eine andere aus und belästigen Sie mich nicht weiter.»
«Ach, unnahbare Valentine. Sie haben mir immer noch nicht verraten, warum Sie mich so absolut nicht wollen. Was ist denn so abschreckend an mir?» Er verdrehte theatralisch die Augen.
Frédéric hatte Emanuele vor einiger Zeit in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass er Valentine in Ruhe lassen solle. Gefruchtet hatte dies offensichtlich nichts, außer dass es Valentine verärgert hatte, als sie es durch Emanueles wenig subtile Bemerkungen erfahren hatte. Sie hatte ihn daraufhin deutlich wissen lassen, dass sie vorhatte, ihre Kämpfe allein auszutragen und sich nicht hinter ihrem großen Bruder zu verstecken. Dennoch musste er den Impuls niederkämpfen, Emanuele einfach hinauszuschmeißen. Aus dem Zimmer, aus dem Schloss, aus Valentines und seinem Leben.
Seine Schwester bleckte unterdessen die spitzen Zähne und fauchte wie eine
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