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Elfenkind

Elfenkind

Titel: Elfenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inka-Gabriela Schmidt
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Däumeline, Winzling, Steckling. Oder Spitzmaus. Das war der Name, mit dem Maurice, ihr Bruder sie rief, wenn er sie ärgern wollte. Aber niemand hatte sich jemals einen liebevollen Kosenamen für sie erdacht.
    Elfe.
    Es klang beinahe zärtlich, wenn er es aussprach. Wenigstens gab es über Elfen hübsche Märchen. Sie waren harmlos, liebenswert und gutherzig. Trotzdem hatte sie den Eindruck, dass es mehr Gründe für diesen Kosenamen gab.
    «Wieso nennen Sie mich so?», fragte sie. Sie schnappte unter der neuerlichen Schmerzattacke nach Luft, unterdrückte mit Mühe einen Aufschrei und krallte ungewollt ihre Finger in seinen Arm. Sie war sich sicher, dass sie ihm damit wehtat, aber er zuckte nicht einmal zusammen.
    «Du nimmst gerade deine Elfengestalt an.»
    Trotz ihrer Schmerzen hob sie den Kopf und warf ihm einen ungläubigen Blick zu. «Das ist jetzt wirklich nicht der geeignete Zeitpunkt für Scherze», stöhnte sie.
    Frédéric lächelte. «Ich weiß, dass es unglaublich klingt, aber du trägst Elfenblut in dir. Geoffrey und Chantal sind nicht deine wahren Eltern. Du wurdest adoptiert.»
    Aliénor schnappte überrascht nach Luft, aber der Schmerz ließ ihr keine Zeit, über Frédérics ungeheuerliche Behauptung nachzudenken. Eigentlich war ihr im Moment sowieso alles egal, Hauptsache, diese unglaublichen Schmerzen hörten endlich auf.
    Noch vor Sekunden hätte sie ihn am liebsten gebeten, ihre Mutter zu holen. Jetzt war sie froh, dass Chantal sie nicht in diesem Zustand sehen musste. Zitternd von Kopf bis Fuß, mit zuckenden Armen und Beinen, über die sie keine Kontrolle mehr hatte. Sie wäre bestimmt in Panik geraten und hätte Geoffrey geholt. Und der war der Letzte, den Aliénor nun gerade bei sich haben wollte.
    Trotzdem war es absolut verrückt, diesem Fremden zu vertrauen, von dem sie außer seinem Namen nichts wusste oder wieso er ausgerechnet jetzt gekommen war.
    Seine Hand auf ihrem Rücken war kühl, angenehm kühl, denn ihr Rücken schien zu verglühen. Als griffe etwas nach ihren Schulterblättern und zöge sie in die Länge oder versuchte, sie daran aufzuhängen.
    Als er spürte, wie sie sich weiter verkrampfte, setzte er ein Knie neben sie aufs Bett und zog sie in seine Arme, hielt sie gegen seine Brust, den Kopf an seiner Schulter geborgen. Sie klammerte sich an seine Schultern und schluchzte.
    «Tut mir leid», hört sie ihn wie von ganz weit weg sagen, «aber das muss jetzt weg.» Ihr Nachthemd verschwand wie von Zauberhand und dann zog er sie wieder an sich, nackt wie sie war. Es war ihr egal. Egal, dass sie nackt war, egal, was mit ihr passierte – dann wurde sie eben eine Elfe –, sie wollte nur, dass es aufhörte.
    Mit einem Male gab es ein entsetzliches Knirschen und etwas barst in ihrem Rücken. Zugleich fühlte es sich an, als würde er aufgerissen und als arbeiteten sich ihre Schulterblätter heraus. Sie öffnete den Mund, um zu schreien, bekam jedoch keine Luft mehr. Das Gefühl der Hilflosigkeit war entsetzlich und sie war sich fast sicher, dass sie jetzt, in diesem Augenblick, sterben musste.
    Vor ihren Augen verschwamm alles. Es wurde dunkel, dann verlor sie das Bewusstsein.
    Als Aliénor wieder zu sich kam, war das Schlimmste vorbei. Der Schmerz ebbte langsam ab, wurde immer erträglicher, glich nun eher einem heißen Pulsieren, als ströme das Blut aus einer offenen Wunde. Dabei fühlte sie sich nicht schlecht, nur sehr eigenartig. Ein wenig anders, erschöpft, aber nicht krank, und eher ein wenig beschwingt, als hätte sie einen Schwips. Auch die Kälte, die sie empfunden hatte, war verschwunden. Auf eine eigentümliche Weise ging es ihr besser und doch fühlte sie sich selbst fremd, als stecke sie in einem Körper, der nicht ihr eigener war. Was war eigentlich geschehen?
    Sie lag auf dem Bauch, ihre Beine und ihr Po waren locker zugedeckt, ihr Oberkörper hingegen immer noch nackt. Frédéric hatte sich den Sessel ans Bett gezogen und begrüßte sie mit einem Lächeln. Er musste sie die ganze Zeit über angesehen haben.
    Jetzt, da ihre Schmerzen vorbei waren, löste seine Nähe etwas in ihr aus, was sie noch nie zuvor gespürt hatte. Seine sinnlichen, schön geschwungenen Lippen übten eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus, und sie vermisste es, in seinem Arm zu liegen und sein Gesicht nah über dem ihren zu sehen. Die Sehnsucht von ihm geküsst zu werden, vielleicht sogar mehr, war übermächtig. Überrascht erkannte sie, dass das unbekannte Gefühl Begehren war. Noch

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