Elfenkrieg
Möglichkeit?«
»Was meinst du?«, fragte Eamon.
»Wenn wir diese Äste sind«, antwortete Aurün und deutete auf das Buch, »und wenn der Baum verbrennt, werden denn dann nicht auch unsere Seelen verbrennen? Wer sagt, dass alles wird wie zuvor?«
Jeder hier im Raum starrte die Drachenelfe an. Ihre Worte ergaben Sinn, und doch war keiner von ihnen bisher auf solch eine Idee gekommen. Alle Informationen, die sie bisher hatten, stammten von Vinae, also auch, dass die Göttin nach der Vernichtung des Baums zurückkehren und erneut über die Elfen herrschen würde. Sie hatten einzig darauf aufgebaut. Es schienihnen die einzige Wahrheit gewesen zu sein. Bis jetzt, wo sie auf den Spuren dieser Göttin wandelten und anfingen, eins und eins zusammenzuzählen.
»Aber wenn es so wäre«, versuchte Ardemir die anderen und sich selbst zu beruhigen, »dann würde das Nebelvolk den Baum doch niemals zerstören. Deren Seelen würden genauso verbrennen.«
»Vielleicht wollen sie das auch«, meinte Aurün. »Solchen fanatischen Anhängern einer Göttin kann man wohl kaum Vernunft zuschreiben. Wer weiß, vielleicht verspricht die Göttin ihnen ... ich weiß auch nicht, dass sie sie vielleicht neu erschafft oder irgendsoetwas.«
»Du meinst, sie könnte die Seelen wiederherstellen?« Ardemir stützte beide Hände auf die Tischplatte und stieß einen Fluch aus. »Sie opfern ganz Elvion, um es vom Schicksal reinzuwaschen, und bauen es dann von neuem auf. Kein sehr schöner Gedanke.«
»Das heißt«, ließ sich zur Überraschung aller plötzlich Nevliin vernehmen, der doch sonst kaum den Mund aufmachte, »auch Faelnuìr entstand erst mit dem Schicksal. Die verwachsenen Äste – ohne Baum kann es sie nicht gegeben haben. Erst mit der Entstehung des Schicksals fanden zwei Seelen zueinander, da sie sich einen Ast teilen.«
»Und wenn das Schicksal vernichtet ist«, schlussfolgerte Eamon weiter, »ist auch die Seelenverwandtschaft zerrissen.«
Die beiden sahen sich an, und Ardemir war es nicht möglich, zu sagen, was er in ihren Gesichtern lesen sollte. Von Nevliin hätte er vielleicht Hoffnung erwartet, da dies bedeutete, er könnte endlich diesem schmerzenden Band zu Vanora entgehen, oder aber auch Furcht, da er sie nicht verlieren wollte. Doch sein Blick war ausdruckslos, genauso wie der von Eamon.
»Die Trennung von Seelenverwandten«, sagte unterdessenAurün in das Schweigen, »kann wohl kaum unsere größte Sorge sein. Immerhin besteht die Gefahr der Vernichtung all unserer Seelen – egal, ob miteinander verwachsen oder nicht.«
»Wollen wir hoffen, dass du dich irrst.« Eamon strich sich mit der Hand über die Augen und sah schließlich wieder in die Runde. »Aber jetzt haben wir noch einen Grund mehr, diese Göttinnenverehrer aufzuhalten und vor allem den Anführer zu finden. Womöglich ist es wirklich diese Frau, die Nevliin in Derial erwischt hat. Seither gab es keinen Angriff mehr, und die Magie des Nebels war mit der Verletzung auch sofort gebrochen. Sie muss die Anführerin sein.«
»Vielleicht habt Ihr sie ja auch umgebracht, Fürst?«, meinte Aurün hoffnungsvoll, doch sie wich sofort zurück, als Nevliin einen schnellen Schritt auf sie zumachte.
Es waren nicht ihre klügsten Worte, bedachte man die ohnehin schon schwelende Feindseligkeit zwischen den beiden, und Aurüns entgeisterter Gesichtsausdruck ließ annehmen, dass sie eben zu derselben Erkenntnis gekommen war. Doch niemand hier zog auch nur in Erwägung, dass es sich bei der Nebelgestalt damals um Vanora hätte handeln können, von daher dachte auch keiner daran, Nevliin in dieser Hinsicht zu schonen.
Ein Fehler.
»Und das würde Euch so passen«, knurrte Nevliin auch schon und baute sich vor der Drachenelfe auf. »Ein bequemes Ende für ein bequemes Volk, das sich lieber versteckt, als zu kämpfen. Hat euch ja nicht viel genützt. Gekriegt haben sie euch trotzdem. Und wenn sie tatsächlich tot ist? Was ist daran so erfreulich, dass Ihr meint, Euch so freuen zu müssen? Seid ihr Drachenelfen denn noch nicht einmal in der Lage, zu denken? Das Herz ist trotzdem weg und eure geliebten Drachen ebenso. Wenn ich diese Frau in Derial getötet habe, dann machtes die Sache nur noch schlimmer. Vielleicht hättet ihr einfach einmal kämpfen sollen, statt ständig den Kopf in den Sand zu stecken, dann wäre es vermutlich überhaupt nicht so weit gekommen.«
»Was soll das heißen?« Der Schrecken wich aus dem Gesicht der Drachenelfe und wurde von Zorn ersetzt.
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