Elfenkrieg
und hinterließ nichts als Bestürzung. Die Fremden waren fort, ohne Schaden angerichtet zu haben. Genauso wie alle anderen sah sich Aurün im Saal um und überprüfte, ob während ihrer Blindheit irgendetwas geschehen war oder ob es Verletzte gab. Sie konnte nichts Ungewöhnliches feststellen.
Im nächsten Momente stürzten auch schon die Wachen mit gezückten Schwertern herein, gesund und munter.
Eamon rührte sich immer noch nicht, starrte dorthin, wo die Nebelpriesterin eben noch gestanden hatte, und Aurün ließ sich gegen die Wand sinken.
Vanora war zurück.
Es fühlte sich an, als wäre er ausgehöhlt worden, von innen heraus zerstört, bis er nur noch eine leere Form war. Vierundachtzig Jahre waren vergangen, und jetzt war sie tatsächlich zurück. Vanora war hier – genauso wie sie es in seinem Traum gesagt hatte.
Eamon ließ sich auf einen Stuhl sinken. Auch die anderen Fürsten nahmen allmählich wieder Platz. Aurün neben ihm beobachtete ihn von der Seite, er spürte es deutlich, aber es war ihm gleichgültig. Immer wieder sah er dieses Bild vor sich, diese Augen, dieses Gesicht. Bei den Sternen, sie war atemberaubend gewesen, seine Vanora, und zugleich so erschütternd fremd. All das Leid, all die Kämpfe und das Blutvergießen waren durch sie ausgelöst worden! Sie war dieser mächtige Feind, den es zu besiegen galt, zu vernichten. Wie konnte so etwas möglich sein? Wie konnte sie wieder leben? Vor allem, wie konnte sie so etwas tun? Grausam Priesterinnen und Orakel abschlachten?
Sie hatte keinen Namen genannt. Konnte sie sich tatsächlich nicht an ihr altes Ich erinnern? Wann war sie wiedergeboren worden? Von wem? Woher kam sie nur so plötzlich?
Es war einfach zu viel. Zu viel der Fragen und zu viel der Erkenntnisse. Wie sehr ihn diese Versammlung an den letzten Krieg erinnerte und wie sehr ihm all das hier verhasst war!
»Was schlagt Ihr vor zu tun?«, brach Menavors Stimme schließlich in seine Gedanken. Der Fürst des Sonnentals wirkte gelassen und lehnte sich mit verschränkten Armen in seinemStuhl zurück. Das silberfarbene Haar fiel strähnig in sein Gesicht und gab ihm eine erhabene Erscheinung.
Liadan ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken. Sie verlor bei diesem gefährlichen Elfen niemals die Vorsicht. Zumindest das hatte sie von ihrer Vorgängerin Alkariel übernommen. Auch jene Königin hatte gewusst, dass die Sonnentaler Fürsten nicht zu unterschätzen waren.
»Den Nebelpriestern, wie sie sich nennen, darf nicht nachgegeben werden«, antwortete Liadan ruhig und sicherte sich damit die volle Aufmerksamkeit aller. »Ihr Ziel ist es, den Schicksalsbaum zu vernichten, und damit droht einer jeden Seele Elvions die Vernichtung.«
»Das können wir nicht wissen«, kam es von Fürst Daeron aus dem Sonnental. »Glaubt man den Worten dieser ...«
»Aber ich glaube ihnen nicht«, gab Liadan kurz angebunden zurück und erntete dafür einen verächtlichen Blick. Als sich der Fürst dessen jedoch gewahr wurde, widmete er sich schnell wieder dem Weinbecher. Eamon entging es nicht.
Menavor trug die nichtssagende Maske eines Politikers, und nichts könnte diese erschüttern, aber seinem Bruder waren die Gefühle immer leicht vom Gesicht abzulesen. Und diese Gefühle waren im Moment gefährlicher Natur.
»Planten die Nebelpriester die Vernichtung aller Seelen«, fuhr Liadan schließlich fort, »um den Glauben an das Schicksal komplett auszulöschen, würden sie es uns bestimmt nicht verraten, meint Ihr nicht?«
»Dann wären sie jedoch auch nicht hierhergekommen, um sich mit Euch zu verbünden, Majestät«, gab Menavor zurück. »Wenn sie wirklich so mächtig sind, wie sie sagen, hätten sie das nicht nötig.«
»Da gebe ich ihm recht«, kam es von Averon aus Riniel. »Diese Leute wollen ihre Göttin zurück, und dafür brauchensie uns. Sie brauchen Elfen, die wieder anfangen, an die Göttin zu glauben. Deshalb waren sie hier.«
»Sind die Orakel erst ausgelöscht«, fügte Meara hinzu, »hat das Schicksal die größte Macht verloren. Fangen die Elfen dann auch noch an, die Göttin zu verehren, wird der Schicksalsbaum durch uns vergehen, genauso wie er einst erwuchs.«
»Wenn sie ihn nicht vorher finden und zerstören«, warf Aurün ein. »Dafür benutzen sie die Drachen. Sie schicken sie aus, auf der Suche nach dem Baum.«
Fürst Noin vom Irrwischmoor schüttelte den Kopf. Die schwarzen Tätowierungen in seinem Gesicht waren magische Zeichen zur Stärkung von Körper und Geist;
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