Elfenkrieg
Linien, die von den Wangenknochen zu den Schläfen, über das Kinn, die Stirn und auch die Nase führten.
»Das dauert Jahrhunderte«, meinte er an Aurün gewandt. »Das Meer ist weit. Wer von uns ist jemals über die Dracheninsel hinausgekommen? Die Nebelinseln erscheinen uns bereits unerreichbar fern, und die liegen nahe am Kontinent. Wir wissen nicht, was es da draußen noch alles gibt, wie viele Inseln. Dort könnte der Schicksalsbaum genauso sein wie irgendwo bei uns auf dem Kontinent.«
»Die Nebelpriester sichern sich doppelt ab«, meinte auch Liadan. »Kämpfen an zwei Fronten. Für den Fall, dass sie den Baum nicht finden, wollen sie das Volk zu Göttinnenanbetern machen und die Orakel aus dem Weg räumen, bis das Schicksal von selbst vergeht. Wird der Baum aber gefunden, beschleunigt sich dieser Prozess nur durch die Vernichtung.«
»Und gerade deswegen meine ich, dass unseren Seelen durch die Zerstörung des Baums kein Schaden entsteht«, beharrte Fürst Daeron weiterhin. »Sie würden sich nicht die Mühe machen, uns alle zu bekehren, wenn sie uns doch auch vernichten könnten.«
»Das wissen wir nicht«, gab Liadan zurück. »Wir müssen vorsichtig bleiben und dürfen uns nicht von schönen Worten über Elvions Befreiung blenden lassen.« Sie hob ihren Kopf etwas an und sah in die Runde. »Manch einer von euch mag denken, ein Leben ohne Schicksal wäre vorteilhaft, ohne Vorherbestimmung, in absoluter Freiheit, unter einer Göttin ginge es uns besser. Denen sage ich, dass ich mich klar davon distanziere. Diese Nebelpriester ermorden im Namen ihrer Göttin Unschuldige, zerstören Tempel, welche Zufluchtsstätten für Arme und Schwache sind. Ermöglichen wir der Göttin die Rückkehr, haben wir eine Macht über uns, der wir allesamt ausgesetzt sind, eine Fessel, die weit über die Vorherbestimmung hinausgeht. Hört, dass jeder, der sich den Nebelpriestern anschließt dadurch zu Elvions Feind erklärt, gnadenlos gejagt und vernichtet wird.«
»Das Sonnental hat kein Interesse den Nebelleuten zu folgen«, meinte Menavor gelangweilt, »aber dennoch frage ich mich, wie Ihr diese gnadenlose Jagd und Vernichtung bewerkstelligen wollt, Majestät? Wie vernichten wir unsere alte Freundin?«
Bei dieser Frage erwachte Eamon aus seiner Starre und zuckte kaum merklich zusammen. Unsere alte Freundin – vernichten.
»Wollen wir noch länger so tun, als wüssten wir nicht, wer die Anführerin dieser Bande ist?«, fuhr Menavor fort, da er von allen nur mit großen Augen angestarrt wurde. »Die kleine Halbelfe ist zurück – nur plötzlich nicht mehr ganz so klein. Wie gehen wir damit um, Majestät?«
»Was würdet Ihr mir raten?«, fragte Liadan zurück. »Mir scheint, Ihr vergesst, dass jene Seele nicht nur die von Vanora ist, sondern auch die der einstigen Königin Daralee«, fuhr sie fort, ohne eine Antwort abzuwarten. »Wenn sie tatsächlichnoch einmal wiedergeboren wurde, kann sie sich an keine dieser Existenzen erinnern. Sie ist nicht mehr die kleine Halbelfe. Das haben wir gesehen.«
»Aber sie erinnerte sich an Eamon«, warf plötzlich Aurün ein, wodurch Eamon sich mit einem Mal der Aufmerksamkeit aller sicher war. Der Schreck in Vanoras Gesicht kehrte zurück in seine Erinnerung und zerquetschte sein Herz wie in einem Schraubstock. Sie hatten sich angesehen – und es war Vanora gewesen.
»Ich weiß nicht, ob sie mich erkannte«, antwortete er schließlich auf all die unausgesprochenen Fragen der Anwesenden. »Doch ich hatte das Gefühl, ja.«
»Aber wie ist das möglich?«, fragte diesmal Vinae. Sie sah dabei direkt zu Eamon, dem unter ihrem Blick immer noch bang wurde. Meine Tochter, dachte er immerzu, ich habe eine Tochter.
»Erinnerungen an ein vorheriges Leben sind ausgeschlossen«, fuhr Vinae fort, da er ihr immer noch nicht geantwortet hatte. »Sie kann Euch unmöglich erkannt haben. Sie ist jetzt eine andere.«
Sprich mich nicht immer so förmlich an, wollte Eamon sagen, du bist meine Tochter, doch er schüttelte nur den Kopf.
»Ich frage mich, wie sie Vanora so ähnlich sehen kann«, kam es nun wieder von Liadan, und zustimmendes Gemurmel folgte. »Sie ist Vanoras Ebenbild, einzig die menschliche Seite an ihr scheint verloren zu sein. Aber wie ist das möglich? Eine wiedergeborene Seele sieht der vorherigen Existenz nicht ähnlich. Sie stammt doch von anderen Eltern, einer anderen Zeit. Wie kann sie Vanoras Ebenbild sein?«
»Wie konnte sie überhaupt wiedergeboren werden?«, fragte
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