Elfenkrieg
zu erreichen waren. In diesem kühlen Gewölbe unter dem Wohngebäude hielten die Wachen inne, stießen die schwere Holztür zur rechten Seite auf und zogen Vinae die Treppe hinunter in die Dunkelheit. Der modrige Gestank der feuchten Wände sowie der Geruch von Verwesung und Blut drangen auf sie ein. Vinae kannte den Weg gut genug und würde wohl blind zu ihrem Verlies finden. Sie wusste, wo die Folterkammern und wo manche von Daerons Räume lagen, indenen er seine Gifte mischte. Es war ihr jedoch noch nicht gelungen, tiefer in das unterirdische Labyrinth vorzudringen.
Ein von Fackeln beleuchteter Gang folgte, der ihre Schatten weit vorauswarf, während das Licht an den kargen Wänden flackerte und die Luft noch stickiger werden ließ. Sie kamen an einigen geschlossenen Türen vorbei, hinter denen sich Vorratsräume für Elixiere befanden, und erreichten schließlich einen Wachraum, der mit einem Tisch, ein paar Stühlen und einigen Regalen an den Wänden ausgestattet war. Die beiden Elfen, die dort beim Kartenspiel saßen, blickten kurz auf, grinsten und widmeten sich wieder ihrem Zeitvertreib.
Durch einen schmaleren, kurzen Durchgang erreichten sie den Vinae bestens bekannten Raum, welcher durch Gitterstäbe zu beiden Seiten in einzelne Zellen unterteilt war. Von diesem Raum aus ging es noch unendlich weiter, doch Vinae wurde stets hier in dieser ersten Kammer festgehalten. Sie befand sich damit ein gutes Stück von den Folterkammern und den Todeszellen entfernt. Hier gab es nur einen einzigen Gefangenen, dessen Ketten klirrten, als er etwas näher an die Gitterstäbe kroch, um zu hören, wen die Wachen brachten.
»Vinae? Bist du das?«, fragte er heiser.
»Still!« Einer der Wächter schlug mit dem Schwert nach dem Gefangenen, der schnell zurückwich und stöhnend zu Boden sank.
»Ihr seid Barbaren!«, zischte Vinae, als sie ihre Arme ausstreckte, um zu zeigen, dass sie unbewaffnet war.
»Den Umhang«, sagte der Wächter, der nach dem Gefangenen geschlagen hatte.
Vinae hob ihren Kopf. Sie war genauso wie ihre Mutter kleiner als die meisten Elfen, aber kaum jemand wagte es, sich mit ihr anzulegen. »Es ist kalt.« Sie sah dem Wächter in die Augen. »Wollt Ihr, dass ich erfriere?«
»Habt Ihr Waffen, Nahrungsmittel oder Medizin bei Euch?«
»Nein.«
»Den Umhang, oder ich muss Euch durchsuchen.«
Vinae breitete ihre Arme aus. »Nur zu. Ich bin neugierig, was Fürst Daeron dazu sagen wird.«
Die beiden Wächter tauschten einen flüchtigen Blick, woraufhin der andere kaum merklich den Kopf schüttelte.
»Also gut.« Der Elf packte sie grob am Arm und zerrte sie in die Zelle. »Ihr kennt ja das Spiel.«
Vinae schenkte ihm ein düsteres Lächeln und hielt ihm ihre Hände entgegen, so dass er die Eisenringe anbringen konnte. Der kalte Stahl fühlte sich im ersten Moment angenehm auf ihren Wunden an, doch als der Wächter die Ringe eng zusammenzog, musste sie sich ein Aufkeuchen verkneifen.
»Ich wünsche eine angenehme Nacht«, sagte der Wächter. Er schloss die Zellentür und verließ schließlich kopfschüttelnd mit dem anderen Elfen den Raum. Vinae konnte hören, dass die beiden draußen bei den anderen Platz nahmen, und auch das Raunen ihrer Gespräche, die zweifellos um die kleine Thesalis kreisten, die sie wieder einmal bewachen durften.
Doch Vinae schenkte ihnen keine Beachtung mehr. Kaum waren die Wächter verschwunden, kroch sie über den feuchten Boden zu der anderen Zelle. Die Ketten, die sie an die Wand fesselten, ließen sie nicht bis zu den rostigen Stäben vor, aber sie kam immerhin nah genug, um ihren Nachbarn zu sehen.
»Aden?« flüsterte sie. »Geht es Euch gut?«
Die ausgemergelte Gestalt bewegte sich und kroch auf sie zu. Sein Anblick war jedes Mal aufs Neue erschreckend. Vinae wusste nicht, ob alle Menschen ab einem gewissen Alter so fürchterlich aussahen, doch Aden hatte nichts mehr von einem menschlichen Lebewesen an sich. Das weiße Haar hing ihm wie Spinnweben in das eingefallene, von Falten und Runzelndurchzogene Gesicht. Seine Lippen waren kaum noch zu sehen, umso deutlicher stachen die milchigen Augen hervor.
Aden war blind, und dass er noch am Leben war, verdankte er einzig der Boshaftigkeit der beiden Fürsten. Sie hielten es für angemessen, den alten Menschen, der als einer der wenigen die Arbeit auf dem Feld überlebt hatte, im Verlies schmoren zu lassen, anstatt ihn wie alle anderen, die ihnen lästig wurden, einfach hinrichten zu lassen.
»Vinae?«, keuchte er
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