Elfenkrieg
in Richtung Verliese. Mittlerweile hatte sich die Angst in Vinae so weit ausgebreitet, dass sie Besitz von ihr zu ergreifen drohte.
Was, wenn sie nicht stark genug war, um die Folter zu überstehen? Was, wenn sie Nefgáld verriet? Bei Daeron redeten alle; ihre Mutter hatte es neulich erst betont. Und wenn die Befragung weiterging und sie auch nach den Umständen der Zusammenarbeit mit dem Grogon fragten? Wenn sie herausfanden, dass Vinae es gewesen war, die ihn einst befreit hatte? Die Fürsten hatten sie bisher nicht auf ihre heimliche Abreisein Diensten der Königin angesprochen, doch es war durchaus möglich, dass sie dies nun nachholten. Andererseits konnten sie Vinae ohnehin nur einmal umbringen, da spielte die Wahrheit über den Grogon auch keine Rolle mehr. Für Nefgáld war es jedoch noch nicht zu spät. Sie durfte seinen Namen nicht preisgeben, egal, was sie mit ihr anstellten.
Nur ein paar Schritte voraus erkannte Vinae Daeron, der mit eiligen Schritten in Richtung Verlies ging. Sie konnte sich nicht mehr zurückhalten, denn die Verzweiflung umspülte sie wie eisiges Wasser, das sie untergehen und nicht mehr hochkommen ließ.
»Ich war es!«, schrie sie durch die Gänge, in der Hoffnung Menavor könnte sie hören und seinen Bruder aufhalten. Eine schnelle Hinrichtung war das Beste, was ihr jetzt passieren konnte. Nur Menavor könnte diese herbeiführen. Sie wusste, er folgte ihr mit ihrer Mutter, doch noch konnte sie ihn nicht sehen. »Ich habe Euch zu vergiften versucht! Ich! Ich schütze niemanden! Lasst mich gehen! Ich werde Euch nichts anderes sagen als diese Wahrheit! Ich war es!«
Daeron wandte sich nicht zu ihr um und verließ das Schloss durch den Haupteingang. Nur wenige Augenblicke später wurde auch Vinae nach draußen in die Abendsonne gezerrt und in den Schatten des Bogengangs, von wo aus sie in die Verliese hinabgingen. Als sie an Vinaes üblicher Zelle vorbeikamen, verhielt sie sich absichtlich ruhig, damit der blinde Aden nichts von ihrer Lage mitbekam, doch zumindest konnte sie einen Blick auf ihn erhaschen und feststellen, dass er noch lebte, auch wenn er wie immer furchtbar aussah.
Es ging weit in die Tiefen dieser unterirdischen Welt. Mit jedem Schritt in die dichter werdende Schwärze wuchs Vinaes Angst. Anders als bei ihren früheren Besuchen bei Gregoran erschien ihr das Tunnelsystem plötzlich beengend, und siehatte das Gefühl von der Gesteinsmasse über ihr erdrückt zu werden.
Beinahe war sie schon erleichtert, als die Wachen sie in einen von Fackeln hell erleuchteten Raum führten, in dem Daeron bereits auf sie wartete. Die Erleichterung hielt jedoch nur so lange an, bis sie einen bedrohlich aussehenden Stuhl an der gegenüberliegenden Wandseite sah, der mit zahlreichen Lederriemen und Fesseln versehen war. Er war ein altes Holzstück mit einer hohen Rückenlehne und Armlehnen, an die überall Halterungen angebracht waren. Davor stand ein Tisch mit noch bedrohlicheren Instrumenten darauf.
Unwillkürlich wich sie zurück und bemerkte dadurch Menavor und ihre Mutter, die sich zu ihnen gesellten. Die Tür wurde geschlossen; der dumpfe Laut pochte in ihrer Brust, als wäre er ihr Herzschlag. Ihr Blick flog über all die glänzenden und vollkommen rostfreien Folterinstrumente – Zangen, Skalpelle, Sägen, Nadeln, Brandeisen, ein Ofen, der noch nicht entzündet war, sowie eine Streckbank.
»Noch hast du die Möglichkeit zur Wahrheit, Vinae«, sagte Daeron, als er auf sie zukam. Auf seinen Wink hin ließen die Schlangenschilde ihre Arme los. »Ich bitte dich.« Er blieb vor ihr stehen, ein stummes Flehen lag in seinem Blick. Einen Moment lang tat er ihr leid. »Du würdest so etwas niemals tun, Vinae. Ich weiß es. Bitte sag mir, wen du schützt, und ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um ...«
»Ich schütze niemanden«, beharrte Vinae weiterhin, auch wenn sie das Zittern in ihrer Stimme nicht mehr verbergen konnte. »Ich war es, also erspart uns diese Prozedur und bringt es zu Ende. Ich bin bereit, zu sterben.« Das war sie ganz und gar nicht, aber Nefgáld war doch noch ein Junge. Er hatte nicht gewusst, was er tat. Und was war schon dabei? Es konnte wohl kaum ihr Schicksal sein, auf so dumme Weise zu sterben, unddaher würde sie ohnehin wiedergeboren werden. Vielleicht sogar weit fort von diesem kranken Ort, in eine liebende Familie.
Ardemir kam ihr in den Sinn. Ihr Herz schmerzte, als wäre es von einer Folterzange erdrückt worden. An ihn durfte sie nicht
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