Elfenkrieg
miteinander.«
Vinae beobachtete den Waisen verstohlen aus den Augenwinkeln, wie er über den Teller gebeugt seine Suppe in sich hineinschaufelte. Er schien nichts um sich herum wahrzunehmen und hatte Vinae bei ihrer Ankunft kaum ein »Hallo« zur Begrüßung geschenkt. Eigentlich war sie davon ausgegangen, dass er sich gut in sein neues Leben eingefügt hatte. Er mochteEnra und seinen neuen Bruder Elrohir, und auch wenn er immer noch um seine Eltern trauerte, war er doch nicht so reserviert gewesen wie jetzt.
Irgendetwas musste dieses seltsame Verhalten ausgelöst haben, oder kam es plötzlich lediglich an die Oberfläche, was seit dem Tod seiner Eltern in ihm gegärt hatte? Vorhin war er schon wie ein Geist zwischen den Küchenzeilen umhergeschlendert, hatte mal hier, mal da verharrt, mit niemandem gesprochen und sich nur hin und wieder im Raum umgesehen. Erst als sich das Treiben in der Küche langsam gelegt hatte und sich die Bediensteten mit den Tellern und Schüsseln für das fürstliche Mahl davongemacht hatten, war er zu seinem Platz gegangen, um selbst etwas zu essen.
Vielleicht sollte Vinae mit ihm sprechen, später, wenn sie ihre Krankenbesuche hinter sich hatte. Dann konnte sie sich Zeit für ihn nehmen, und vielleicht begleitete er sie auf einen Ausritt. Elrohir war stets von Pferden begeistert, vielleicht hatte diese Freude ja etwas auf Nefgáld abgefärbt.
Möglichst um Unauffälligkeit bemüht, blickte Vinae ihm schließlich hinterher, als er sich vom Tisch erhob und aus der Küche schlenderte. Sie wollte sich eben abwenden und das Gespräch mit Enra in fröhlichere Bahnen lenken, da sah sie einen schmalen, ovalen Abdruck an Nefgálds enganliegender Hose, ehe die Tür hinter ihm zufiel. Einen Moment lang saß sie wie erstarrt da und blickte auf das schäbige Holz der Küchentür. Sie kannte das Gefäß, welches Nefgáld in seiner Hosentasche eingesteckt hatte. Es war eine Phiole, gleich jenen, in die sie ihre Elixiere füllte. In Daerons Giftkämmerchen standen Hunderte davon herum.
Erst mit ihrem japsenden Keuchen wurde ihr bewusst, dass sie die Luft angehalten hatte. Enra wandte sich verblüfft zu ihr um, doch da sprang Vinae schon vom Tresen und stürmte wievon tausend Toden verfolgt durch die Küche hinaus in den Gang. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, als sie sich in dem von hohen Bogenfenstern beleuchteten Korridor umsah und gerade noch erkannte, wie Nefgáld um die Ecke verschwand.
Mit gerafften Röcken stürzte sie ihm hinterher. Die beiden Wachen, welche ihren Weg kreuzten, warfen ihr verwunderte Blicke zu, machten jedoch keine Anstalten, sie aufzuhalten, und im nächsten Gang holte sie Nefgáld endlich ein.
»Hiergeblieben«, keuchte sie, als sie den Jungen am Arm zu fassen bekam.
Nefgáld drehte sich überrascht zu ihr um. Einen Moment lang huschte der Schrecken eines Ertappten über sein Gesicht, doch die Maske des Gleichgültigen ergriff sofort wieder von seiner Miene Besitz.
»Vinae«, meinte er völlig gelassen. Nichts an ihm deutete noch auf ein Kind hin. Vor ihr stand ein junger Mann, doch was sie in seinen Augen sah, gefiel ihr ganz und gar nicht. »Ist irgendwas?«
Vinae fackelte nicht lange, drehte ihm den Arm auf den Rücken, fasste in seine Hosentasche und zog die Phiole hervor. Zu überrascht über ihren plötzlichen Angriff, wehrte er sich dabei nicht und taumelte zwei Schritte nach vorn, als Vinae ihn heftig von sich stieß. Noch ehe er sie erreichen konnte, schraubte sie den Verschluss des Fläschchens ab und schnupperte daran.
Beinahe wäre ihr die Phiole beim beißenden Gestank des Inhalts aus der Hand gefallen. Nicht jedoch vor Benommenheit, sondern vor Schreck. Mit weit aufgerissenen Augen blickte sie wieder zu Nefgáld auf.
»Was hast du getan?«, krächzte sie aus ihrer rauen Kehle und hielt das Gefäß so fest, dass es eigentlich hätte zerspringen müssen. Die Bilder des herumschleichenden Jungen in derKüche blitzten vor ihrem geistigen Auge auf. Dem Jungen, der immer wieder mal bei den Töpfen stehen blieb. Das Bild der Bediensteten, die das Essen für die Fürsten wegbrachten, den seelenruhigen Jungen, der sich daraufhin niederließ, als wäre nichts.
»Ich ...« Mit einem Mal kehrte das verängstigte Kind in seinen Zügen zurück. Hektisch blickte er sich im Korridor um und suchte offenbar nach einem Fluchtweg, doch Vinae packte ihn sofort wieder am Arm.
»Hast du es von Daeron gestohlen?«, fragte sie, benommen vor Angst. »Aus seinen Räumen?«
Ein
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