Elfenkrieg
ihrem Mund aus. Vinae hatte das Gefühl, am Knebel zu ersticken. Das verschwommene Bild von Daerons Gesicht verschwand, und Schwärze breitete sich über sie wie ein Leichentuch.
Die Geräusche um sie herum verstummten. Noch nicht einmal ihren zischenden Atem oder das wilde Poltern ihres Herzens konnte sie noch hören, da war nur noch ein angenehmerKlang. Eine bekannte Stimme, so vertraut und tröstend. Sie nahm ihr den Schmerz, schmeichelte sich ein, umfing sie mit wohltuender Sicherheit.
Nichts sonst war noch da. Ihr Name? Sie wusste ihn nicht. Wo sie war? Was spielte das für eine Rolle? Wenn nur diese Stimme nie aufhören würde, mit ihr zu sprechen.
»Ich führe dich«, sagte die Stimme mit solcher Zuversicht, dass Vinae sich ihr nur allzu gern anvertraute.
Sie wanderte durch Finsternis und Stille, doch irgendetwas war da, das sie suchte. Es versuchte, sie zu finden, und die Stimme geleitete sie immer weiter. Es war etwas Wichtiges, die Stimme wollte es haben, denn dadurch würde alles gut werden. Sie würde keine Schmerzen mehr haben. Sie musste es nur finden. Es versuchte, zu ihr zu gelangen, doch sie wich aus. Das durfte sie nicht. Sie musste darauf zugehen, es ergreifen, nicht zurückschrecken. Die Stimme führte sie weiter. Sie musste es entdecken, packen ...
Eine unglaubliche Leichtigkeit umfing sie, als sie es endlich fand. Nefgáld.
Der Name hallte durch ihren Kopf und war das Einzige, was existierte. Nefgáld, Nefgáld, Nefgáld.
Der Schmerz brach erneut über sie herein, gemeinsam mit dem Lärm ihres Blutes, das durch die Adern rauschte, dem wilden Donnern ihres Herzens und dem Röcheln in ihrer Kehle.
Nur allzu deutlich spürte Vinae das Herausziehen der Nadeln aus ihrem Kopf und erneut entrang sich ihr dabei ein Schrei. Der Knebel wurde entfernt, und auch die einschneidenden Fesseln wurden gelöst.
»Mein Bruder ist gut«, hörte Vinae Menavors Stimme und auch die zustimmenden Worte ihrer Mutter.
»Einfältiges Ding«, fügte Meara noch hinzu.
Allmählich kehrte das Licht vor Vinaes Augen zurück.
Stechend, als hätte sie immer noch Nadeln in ihrem Kopf, drang der Schein der Fackeln zu ihr. Vinae blieb nichts anderes übrig, als die Augen wieder fest zusammenzukneifen.
Selbst in der Dunkelheit ihrer geschlossenen Lider schien sich alles zu drehen. Was auch immer Daeron für ein Gift in ihren Kopf injiziert hatte, es hatte sich dort wie Watte ausgebreitet und jeden klaren Gedanken unmöglich gemacht.
Oder war da nicht etwas gewesen?
Nefgáld!
Mit einem leisen Aufschrei riss Vinae die Augen wieder auf und sah sich in dem Raum um. Daeron war fort, die Wachen waren gleichfalls gegangen. Nur noch der hämisch grinsende Menavor und ihre Mutter waren anwesend. Nefgáld!
Wie von einer unsichtbaren Macht hochgerissen, sprang Vinae vom Stuhl auf und taumelte gegen den Tisch mit den Folterinstrumenten. Scheppernd flog das eine oder andere Stück zu Boden, doch das war unwichtig. Sie musste zu Daeron.
Ihre Füße kribbelten, ihre Knie fühlten sich taub an, doch irgendwie schaffte sie es, aus dem Raum zu torkeln und dem Tunnel zurück an die Oberfläche zu folgen. An den Wänden entlanghangelnd kämpfte sie sich Schritt für Schritt vorwärts, und als sie endlich das schummrige Dämmerlicht des Abends erreichte, kehrte allmählich so etwas wie Klarheit zurück in ihren Kopf.
Vinae wusste nicht, ob Daeron auch erfahren hatte, wo sich Nefgáld aufhielt, doch als sie das Schloss betrat, sah sie den Fürsten bereits einige Schritte voraus mit seinen Schlangenschilden in Richtung ihres Gemachs gehen.
Die letzte Kraft aus sich herausholend stürzte sie ihm hinterher.
»Fürst Daeron!«, rief sie und klammerte sich an seinenArm. »Ich bitte Euch, tut das nicht. Er wusste nicht, was er tut. Er ist doch noch ein Kind. Bitte!«
Der Fürst versuchte, sie abzuschütteln, doch Vinae stellte sich ihm in den Weg, legte ihre Hände auf seine Brust und versuchte alles, um ihn aufzuhalten. Vergebens. Er marschierte weiter, als wäre sie nichts als ein Hindernis, das er leicht überwinden konnte.
Vinae meinte zu ersticken. Übelkeit waberte in ihr hoch, und der Drang, sich übergeben zu müssen, wurde beinahe übermächtig. Natürlich konnte dies auch an dem seltsamen Gift liegen oder an den Nadeln, doch Vinae war sicher, die Angst allein reichte auch schon aus, um ihren Magen verrücktspielen zu lassen.
»Mein Fürst! Ich flehe Euch an.« Sie zog und zerrte an seinem Gewand, stemmte sich mit all ihrem
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