Elfenkrieg
sie dies auch tun. Aurün hatte gemeint, Ardemir verhalte sich so, um ihr zu beweisen, dass er sie nicht liebe – eben weil er sie liebe, doch Vinae hielt dies für den größten Unsinn,den sie jemals gehört hatte. Erstens wusste sie von Gregoran, dass Ardemir sie keineswegs liebte, und zweitens: Würde er sie tatsächlich lieben, hätte er doch nur ein Wort sagen müssen. Sie selbst hatte ihm ihre Gefühle ja schon deutlich gezeigt, indem sie ihn geküsst hatte, doch diesen Moment verdrängte Ardemir geflissentlich.
Vinae wünschte nur, sie könnte das ebenso tun, doch egal, wie sehr sie es auch versuchte, sie konnte seinen Mund immer noch auf ihrem spüren, die Hitze seiner Haut auf der ihren. Sie nahm immer noch das Verlangen und die Hingabe seines Kusses wahr, welche echt gewesen war, gleichgültig, was er sagte. Ihr Herz irrte sich nicht, durfte es nicht, oder war es besser, sich tatsächlich immer wieder einzureden, dass da nichts zwischen ihnen war? In wenigen Augenblicken war Ardemir für sie so unerreichbar wie der Mond und die Sterne. Vielleicht sollte sie ihn wirklich vergessen. Ihre neue Aufgabe beanspruchte ohnehin ihre ganze Aufmerksamkeit.
Als hätte Vinae mit diesem Gedanken einen bösen Geist beschworen, ging plötzlich die Tür auf, und ihre Mutter kam herein. An Meara war keine äußerliche Veränderung wahrzunehmen, wie immer trug sie das weiße Kleid einer Magierin höchsten Ranges und hatte weiße Bänder in das dunkle Haar geflochten, doch ihr Ausdruck war besorgt. Fürchtete sie vielleicht die Schwächung ihrer eigenen Position, wenn Vinae als Thesalis erst einmal Fürstin war? Wieso hätte sie dann stets darauf beharren sollen, dass Vinae Daeron nachgab? Oder war vielleicht doch ein Funken Mitleid in ihr, für ihre Tochter, die zu dieser unglückseligen Hochzeit getrieben worden war?
»Es ist so weit«, kündigte ihre Mutter auch schon ohne jede Begrüßung an und verließ sogleich wieder den Raum. Sie schien keinen Moment länger als notwendig verweilen zu wollen. Vinae war es nur recht.
Sie warf sich im Spiegel noch einen letzten Blick zu und stellte fest, dass sie tatsächlich wie eine Fürstin aussah – prunkvoll und erhaben, doch ihre Augen schienen jede Farbe verloren zu haben. Sie waren grau wie der Himmel bei Regen; nichts würde ihnen wohl jemals den Glanz zurückgeben können.
Zwei mit Blumenkränzen geschmückte Elfen ergriffen die lange Schleppe ihres Kleides, und Vinae wandte sich schließlich vom Spiegel ab. Einen Fuß vor den anderen setzend, schritt sie durch die Tür hinaus in den Korridor, wo Fürst Menavor bereits auf sie wartete.
Wortlos legte sie ihre Hand auf seinen dargebotenen Arm und ließ sich von ihm weiterführen.
»Hinreißend«, ließ sich der Fürst nach einer Weile vernehmen, auch wenn es weniger wie ein Kompliment denn wie Spott klang. »Mein Bruder wird überglücklich sein.«
»So ist es zumindest einer von uns«, konnte sich Vinae nicht verkneifen zu sagen, auch wenn sie meinte, so leise gesprochen zu haben, dass Menavor sie nicht gehört hatte.
Es war ein Weg, der wie im Traum an ihr vorbeizog – als hätte sie ihren Körper verlassen und beobachtete sich selbst, wie sie in dieser prächtigen Prozession durch den Gang schritt. Vielleicht war es nicht das Schlechteste, das Tun ihres Körpers nicht mit ihrem Geist zu verbinden. Sie wusste nicht, wie sie diesen Abend sonst durchhalten sollte.
Die beiden Flügel des Tores zur Terrasse wurden geöffnet, und grelles Sonnenlicht flutete durch die zwielichtigen Hallen. Vinae musste ihre Augen etwas zusammenkneifen, als sie hinaus auf den Balkon der Schlossmauer traten, wo die Trauung stattfinden sollte und von wo sie auf die versammelte Bevölkerung Acres blicken konnte, die vom Marktplatz aus das Spektakel verfolgte.
Doch weder für den wartenden Daeron noch für die plötzlich verstummte Menge hatte Vinae einen Blick übrig.
Stattdessen hielt der Anblick der untergehenden Sonne sie gefangen, die langsam hinter die fernen Gipfel des Schneegebirges sank und diese Berge magisch erleuchtete. Vinae sah die weiten Felder draußen vor der Stadt und den beinahe schon smaragden wirkenden Wald. Alles wurde in dieses goldene Licht getaucht, selbst die weißen Mauern der Stadt schienen darunter zu glühen.
Erst als Menavor seine Hand auf ihre legte und sie weiterschob, bemerkte Vinae, dass sie im Tor stehen geblieben war. Verzaubert von dieser märchenhaften Atmosphäre, die ihr wie ihr eigenes
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