Elfenkrieg
Agonie verharren. Das Ende war gekommen, und diese Gewissheit ließ ihn selbst die glühende Gegenwart Vanoras ertragen, die er ja doch nicht erreichen konnte. Die Gewissheit ließ ihn die niederträchtige Göttin ertragen, die es wagte, sich ihm in VanorasKörper zu nähern, ihn zu umgarnen mit ihren schmutzigen Worten bei dem Versuch, ihn für ihre Zwecke zu missbrauchen.
Er wusste nicht, wie naiv diese Göttin war – zu glauben, er würde sich auf ihre Seite schlagen, nur weil sie Vanora in sich eingesperrt hielt, zu glauben, das Band zwischen ihm und Vanora sei so schwach, dass er nichts davon bemerkte.
Zu gern hätte er gegen das Schicksal gekämpft, gegen jene Macht, die ihn von Vanora getrennt hatte. Wie leicht hätte die Göttin ihn für diesen Kampf gewinnen können – auf andere Weise. Doch mit ihrem Angriff auf Vanora hatte sie sich einen Feind geschaffen und das Schicksal somit einen Kämpfer. Das Ende war gekommen, und in der Ferne die Ruinen des Silberpalastes von Ueden zu sehen erfüllte ihn mit Genugtuung statt mit Schmerz über die Erinnerungen.
»Da vorn ist es«, brach die Priesterin nach einer Ewigkeit das Schweigen. »Dort sind meine Brüder und Schwestern.«
Nevliin nickte und blickte zur aufgehenden Sonne. Er führte das Pferd am Zügel, auf dem die Priesterin wie eine Königin saß, und näherte sich, ohne Müdigkeit zu kennen oder Erschöpfung zu spüren, seinem Ziel, seinem Ende. Er hatte es gesehen, gespürt – das Schicksal hatte ihm seinen letzten Weg offenbart, und er würde ihn gehen. Er wusste nicht, ob sich Vanora damals genauso gefühlt hatte, nachdem sie die Wahrheit über ihre Bestimmung erkannt hatte. Er wusste lediglich, dass es kein Zurück mehr gab. Damals hatte er sie nicht verstehen können, die letzten vierundachtzig Jahre hatte er sie nicht verstanden, doch jetzt war alles anders. Er hörte den Ruf der Sterne, der ihn zu sich lockte – mit der Aussicht auf Frieden und einer Ewigkeit mit ihr.
»Wollt Ihr noch eine Pause machen?«, fragte er die Priesterin mit einem weiteren Blick zur Sonne. Sie würden Ueden erstgegen Abend erreichen; die grasbewachsene Ebene täuschte das Auge für Entfernungen.
Die Priesterin schien einen Moment lang zu zögern, sie hatte seit ihrem Aufbruch aus dem Lager stets auf Eile bestanden, doch diesmal stimmte sie zu. »In Ordnung«, meinte sie und ließ sich von Nevliin vom Pferd helfen. »Aber nur kurz.« Sie deutete zu dem Bächlein, an dem Nevliin angehalten hatte, und da Nevliin nun lange genug mit ihr unterwegs war, wusste er auch, was sie wollte.
Er nahm den Wasserschlauch vom Sattel, ging neben dem Kiesbett in die Knie und füllte das Behältnis mit frischem Wasser auf. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie die Priesterin sich neben ihm niederließ und die Augen mit der Hand vor der stärker werdenden Sonne abschirmte. Sie hätte wohl Wolken oder Nebel herbeigerufen, um sich gegen die aufkommende Hitze zu schützen, doch das war ihr genauso wenig möglich, wie einen Kältezauber zu wirken. Immer noch trug sie den Schattenkristall um den Hals, denn Vinae hatte den Schlüssel dafür mit nach Acre genommen. Mit einer Säge oder einem guten Schwert hätte Nevliin sie vielleicht davon befreien können, doch an solch empfindlicher Stelle war es wohl besser, kein Risiko einzugehen. Auf diese Weise war er auch selbst vor der Magie der Priesterin geschützt und konnte seinen Plan ausführen. Er wusste ohnehin, dass es auch so schwer genug sein würde – und das nicht wegen der Dutzende Nebelpriester, die in Ueden auf ihn warteten, noch nicht einmal wegen der Macht der Priesterin. Es war er selbst, von dem er Verrat fürchtete.
Die Entscheidung, mit der Priesterin fortzugehen, hatte er sehr schnell getroffen – in jenem Moment, in dem sich ihm das Schicksal offenbart hatte. Und die Priesterin hatte bei ihrer Befreiung nicht lange nach dem Grund gefragt, auch wenn Nevliin ihr das Misstrauen deutlich angesehen hatte. Sie wusste,dass er nicht so plötzlich die Seiten gewechselt hatte, und auch, dass er etwas im Schilde führte – schließlich machte sie häufig genug Andeutungen deswegen. Doch sie war immer noch arrogant genug, um ihn nicht zu fürchten. Vermutlich konnte sie sich sogar denken, dass sein Aufbruch etwas mit dem Drachenherzen zu tun hatte – wieso sonst sollte er sie zu dessen Aufenthaltsort begleiten wollen? Mit ihren Anhängern, die vermutlich auch sofort eine Möglichkeit finden würden, ihr den Halsring abzunehmen, sah
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