Elfenkrieg
sie sich jedoch keiner Gefahr ausgesetzt.
Ein schwerer Fehler der Göttin. Hätte sie Vanora nicht derart in den Hintergrund gedrängt und jegliches Handeln und Denken selbst übernommen, wüsste sie, zu was Nevliin fähig war, wenn es denn keinen anderen Ausweg gab. Sie wusste nicht, zu was er in seinem Kampf für Vanora bereit war – wie weit er gehen würde. Doch sie würde es sehr bald herausfinden, in jenem Moment, in dem er sich über den Aufenthaltsort des Herzens sicher sein konnte.
»Meine Brüder und Schwestern werden sehr erfreut über Eure Unterstützung in unserem Kampf sein«, meinte die Priesterin schließlich, als sie nach dem Wasserschlauch griff. Nevliin ließ sich neben ihr nieder und betrachtete das Glitzern des Wassers. Es war kaum mehr als ein schmales Rinnsal.
»Was habt Ihr als Nächstes vor?«, fragte er, ohne sie anzusehen.
Die Priesterin wandte sich ihm zu, er spürte es mehr, als dass er es sehen konnte. Ein weiterer Grund, weshalb er ein Ende dieser Reise herbeisehnte. Das Ziel vor Augen zu wissen verlieh ihm zwar die innere Stärke, die er zur Ausführung seines Plans brauchte, doch fiel es ihm von Minute zu Minute schwerer, Vanoras Präsenz zu ignorieren. Sie war ihm so nah. Mit jedem weiteren Moment in ihrer Nähe fürchtete er mehrum seine Willenskraft. Und dies könnte fatal enden. Die Göttin durfte nichts von seinem inneren Aufruhr bemerken, sie durfte nicht ahnen, was sie in Ueden von ihm erwartete. Sie würde jede Unsicherheit in ihm ausnützen, ihn zermürben, bis er nicht mehr dazu in der Lage war, es zu tun.
»Nach der letzten Blutabnahme des Drachens zu schließen«, antwortete die Priesterin auf seine Frage, »nehme ich an, dass meine Leute die Drachen wieder unter Kontrolle haben und sie weiterhin aussenden, um den Schicksalsbaum zu finden. Darum werde ich mich nun wieder persönlich kümmern.«
»Und die Orakel?«, fragte Nevliin. Wenn er erst fertig war, spielte all das keine Rolle mehr, doch die Priesterin sollte ruhig glauben, er horche sie nach ihren Plänen aus, um sie dann gegen sie zu benutzen.
»Wir werden natürlich weitermachen«, erklärte sie ihm. »Eines nach dem anderen. Vielleicht besuchen wir auch noch einmal die Königin.« Ihr Blick ruhte auf ihm, suchte nach einer Reaktion auf diese Eröffnung, diese Drohung, doch Nevliin fiel es nicht schwer, diese Aussage zu ignorieren. Es würde nicht dazu kommen.
»Und die Drachen?«, fragte er, während er Kiesel ins Wasser warf. »Was macht Ihr mit denen, wenn sie nicht mehr von Nutzen sind?«
»Wer weiß? Vielleicht behalte ich sie als Haustiere.« Sie wandte sich zu dem grasenden Pferd um. »Sag mal, willst du Schneeglöckchen nicht ans Wasser führen?«
Sein Körper reagierte ganz von selbst. Jeder Vorsatz, sich keine Gefühlsregung ansehen zu lassen, war dahin, ehe sein Handeln überhaupt bei seinem Verstand angekommen war.
Wie von einer unsichtbaren Hand herumgerissen, fuhr er zu der Stimme herum, welche in Ausdruck und Farbe völlig identisch mit jener verlorenen war. Niemals hätte er gedacht, sie inseinem Leben noch einmal zu hören, denn so ähnlich die Stimme der Priesterin auch zuweilen war, sie war nicht dieselbe. Bis jetzt.
Freude und Angst überfielen ihn gleichermaßen, als er in das Gesicht der Priesterin blickte, die den grauen Schleier zurückgeworfen über das Haar trug. »Was?«, keuchte er.
»Na, das Pferd«, gab die Priesterin gelassen zurück, auch wenn er an ihr einen winzigen Moment des Schreckens bemerkt hatte. »Wollt Ihr es nicht tränken?«
Er wollte schreien, sie durchschütteln, verfluchen und Vanora immer wieder anflehen, sie solle noch einen Versuch wagen. Sie solle noch einmal kämpfen und zu ihm durchdringen. Gleichzeitig wollte er sie jedoch auch warnen, ihr sagen, sie dürfe auf keinen Fall weiterhin gegen die Göttin vorgehen, egal, wie nahe er im Moment auch war, egal, wie dünn das Band war, das sie im Moment noch trennte. Sie durfte nicht zu ihm gelangen, denn sonst könnte er es nicht tun. Er musste die Priesterin, die Göttin vor sich haben. Anders ginge es nicht.
»Lasst uns aufbrechen.« Ohne sich nach der Priesterin umzusehen, erhob Nevliin sich und nahm Schneeglöckchen am Zügel, jenen vierbeinigen Freund, welchem Vanora einst diesen Namen gegeben hatte, unbeeindruckt von seinem Protest. Damals waren sie ebenfalls nur zu zweit durch die Lande gereist – auf ihrem Weg in den Krieg.
Sie sprachen kein Wort mehr auf ihrem weiteren Weg zur Küste, wo
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