Elfenkrieg
einzig die Ruinen des Silberpalastes von der einstigen Pracht des Königinnensitzes zeugten. Die Priesterin schien sich ebenso unwohl zu fühlen wie er selbst. Nevliin ließ keine Verzögerungen mehr zu. Er sehnte sich nach einem Kampf, konnte kaum erwarten, die Nebelpriester in sein Schwert laufen zu lassen, und als könne die Priesterin seine Absichten erahnen, fiel ihr Blick immer häufiger auf die Waffe an seiner Seite.
Es war ihm gleichgültig. Sollte sie doch ahnen, dass er einen Angriff vorhatte, sie würde niemals damit rechnen, dass er durchaus gedachte, diesen Angriff auch zu gewinnen. Er verfügte ebenso über ein großes Ausmaß an Magie, und dieses würde er zum Eiszauber in sein Schwert lenken. Mit jenem blutrünstigen Zauber seiner Heimat hatte er einst die Elfe Eliria aus Lurness befreit, in der Schlacht bei Edora gekämpft, und nun würde er damit gegen die Nebelpriester vorgehen. Es war ein Zauber, der erst endete, wenn alle seine Feinde getötet waren, egal, ob er selbst dabei tödlich verletzt wurde. Die Magie würde ihn so lange am Leben halten, bis das Schwert seinen Zweck erfüllt hatte. Nein, damit konnte die Priesterin nicht rechnen.
Der Wind trug das Rauschen des Meeres bereits bis zu ihnen auf den letzten Hügel. Doch noch etwas anderes lag in der Luft: der Tod, eine dunkle Präsenz.
Nevliin und die Priesterin tauschten einen flüchtigen Blick, dann schwang sich Nevliin auch schon hinter ihr in den Sattel und trieb das Pferd den Hügel hinab.
Wie vom Wind getragen, preschten sie an den ersten der weitverstreuten Trümmer des Palastes vorbei, die seit der Explosion vor vierundachtzig Jahren wie die Würfelsteine eines Riesen in der Gegend lagen, und strebten weiter Richtung Küste.
»Da runter!«, schrie die Priesterin, als sie zu den steiler werdenden Klippen kamen.
Nevliin konnte sich nur schwer ein Aufstöhnen verkneifen, doch er lenkte den Hengst ohne Zögern den schmalen Pfad hinab in den sanft umspülten Kies, wo sie zur einen Seite vom Meer, zur anderen Seite von einer Steilwand eingesperrt wurden. Es schien ihm wie gestern, als er mit dem Kobold Bienli diesen Weg gegangen war, doch als er den Hengst weiter insseichte Meer hinaus lenkte und die Spitze der Klippe umging, bot sich ihm nicht das Bild eines von Felsen eingeschlossenen Strandes, von dem aus eine Höhle zum Orakel von Dahren führte.
Nein, die Klippen waren zum Teil eingestürzt. Trümmer des darüberliegenden Palastes waren auch hier herabgefallen; zwischen ihnen waren provisorische Hütten aus Palmwedeln erbaut worden.
Hier hatten sich die Nebelpriester also die ganze Zeit über versteckt gehalten. Der Höhleneingang war zwar verschüttet, doch oben in den Überresten des Palastes hätten sie sogar den einen oder anderen Drachen unterbringen können, ohne Gefahr zu laufen, entdeckt zu werden.
Niemand kam hierher. Seit Vanoras Tod und dem damit einhergehenden Untergang der letzten Königin war Ueden zu einer Geisterstadt geworden.
Wie von einer starken Bö umgeweht, lagen die Krieger und Nebelpriesterinnen auf dem Kies, ohne einen Hinweis auf die Ursache ihres plötzlichen Dahinscheidens zu geben. Es waren keine Verletzungen zu erkennen; sie schienen direkt dort umgefallen zu sein, wo sie eben noch beisammengestanden hatten.
Nevliin fiel auf, dass sie sich alle um eine spezielle Hütte versammelt hatten, die in der Mitte des Platzes mit einem großen Trümmerstück des Silberpalastes verbunden worden war. Es sah aus, als wäre dieses Palmengeflecht ein eigenes kleines Schloss mit Türmen und zum Teil weißer und silberner Fassade.
Nun hatte sich sein Plan mit dem Eiszauber wohl erübrigt. Die Nebelpriester waren bereits tot, und so musste er nur noch eines erledigen. Vorher musste er jedoch das Herz in Sicherheit wissen.
Um die Todesursache der Nebelleute machte Nevliin sichindessen keine Gedanken, er meinte zu wissen, wer dies getan hatte, und wiegte sich im Moment in Sicherheit. Anders als die Nebelpriesterin.
Sie sprang vom Pferd, kaum dass der Hengst zum Stehen gekommen war, und stürzte auf den ersten leblosen Körper zu.
»Wer hat das getan?«, kreischte sie und tastete nach dem Puls der Elfe. »Wer war es?«
Nevliin ließ sich aus dem Sattel gleiten und trat zu ihr hin. Völlig emotionslos blickte er auf die weitaufgerissenen Augen der Toten hinab, während die Priesterin schon wieder aufsprang und zum nächsten ihrer Leute lief. Sie zerrte an den Leibern, schrie und tobte.
»Befreit mich von diesem
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