Elfenkrieg
Fürsten lebte, könnte dieses Land keinen Frieden finden. Daher musste Menavor sterben.
»Nun, worauf wartet Ihr?«, höhnte der Fürst weiter und entblößte seine Brust. »Habt Ihr es Euch anders überlegt? Wollt Ihr so lange warten, bis Ihr zuerst Euren letzten Atemzug getan habt?«
Nevliin öffnete den Mund, brachte jedoch kein Wort mehr heraus. Einzig durch einen taumelnden Seitenschritt konnte er noch auf den Beinen bleiben. Eamon kämpfte gegen den Impuls an, seinen Freund zu stützen. Dessen Leben hing im wahrsten Sinne des Wortes nur noch an einem dünnen Faden.
Doch Eamon war noch lebendig, er hatte noch Kraft. Er zog seine Kurzschwerter hinter den Schultern hervor, langsam, als hätte er alle Zeit der Welt – oder erschien ihm die Zeit nur so gedehnt?
Seine Beine bewegten sich schnell. Mit drei Sätzen hatte er auch schon Menavor erreicht.
»Eamon ...«, hörte er noch Nevliin hinter sich, fassungslos, ohne jede Kraft. Menavors Augen weiteten sich, er wankte zurück, doch es war zu spät. Die beiden Klingen gruben sich beinahe ohne jeden Widerstand in die Brust des Fürsten.
Eamon tötete, mordete, was er bisher noch nie getan hatte. Stets waren es Schlachten oder faire Kämpfe gewesen, doch niemals zuvor hatte er einen Wehrlosen getötet. Die Frage, ob er zu so etwas fähig sei, hatte sich ihm gar nicht gestellt. Alles, was ihm noch klar war, als er seine Finger fester um die Schwerter schloss und sie mit einer Drehung zurückriss, war, dass er Nevliin diese Bürde nicht auferlegen konnte, dass Nevliin es nicht getan hätte, egal, wie skrupellos er manchen vielleicht erschienen war.
Es war ein geringer Dienst an einem Freund, den er hier vollbracht hatte, und als er in Menavors überrascht aufgerissene Augen blickte, fühlte er weder Schuld noch Trauer. Noch nicht einmal Genugtuung.
»Es ist vorbei«, sagte Eamon und blickte dem Leichnam des Fürsten hinterher, welcher in die Tiefe stürzte. »Es ist vorbei!«, brüllte er dann noch einmal, so laut er konnte, und errang sich somit die Aufmerksamkeit der kämpfenden Menge. »Die Fürsten sind tot! Legt eure Waffen nieder! Das Herz gehört uns!«
Alle, wie sie dort unten standen, starrten zu ihm hoch, auf Eamon, den Bruder der Königin mit den blutigen Schwertern in den Händen. Auf denjenigen, der den Krieg beendet hatte, und tatsächlich legte einer nach dem anderen die Waffe nieder. Die Schlangenschilde wurden von den Stadtbewohnern in die Arena getrieben, wo immer noch der bewusstlose Drache lag.
Als Eamon ein Keuchen hinter sich vernahm, fuhr er herum. Nevliin stand neben dem Drachenherzen und zog mit einiger Mühe das Kästchen aus seinem Gürtel.
Als er Eamons Blick auf sich spürte, sah er auf. »Mach jetztkeine Dummheiten mehr«, sagte er mit leiser Stimme, ohne jede Kraft. »Ich sterbe sowieso. Halte mich nicht davon ab, zu den Sternen zu gelangen.«
Eamon schüttelte kaum merklich den Kopf und rührte sich nicht von der Stelle. Tu etwas, schrie seine innere Stimme, halte ihn auf, lass ihn nicht sterben.
Er hatte Nevliin schon beschützt, als dessen brutaler Onkel auf ihn losgegangen war, er hatte schon damals seine Wunden versorgt, und jetzt sollte er einfach nichts tun? Keinen Elfen hatte er jemals so geliebt und gehasst wie den Weißen Ritter, und es wollte einfach nicht in seinen Kopf, dass dies das Ende sein sollte. Beste Freunde, Brüder, Kampfgefährten, Blutfeinde. Zwei Seiten einer Münze. Dunkelheit und Licht. Was würde noch bleiben, wenn ihm seine andere Hälfte entrissen wurde?
Was sollte er sagen, um ihn davon abzuhalten, was sollte er tun?
Nichts. Er brachte weder ein Wort heraus, noch konnte er sich bewegen.
Nevliin nahm die Phiole aus dem Behältnis und betrachtete sie einen Moment lang. Dann schraubte er schließlich den Verschluss ab und hielt das leuchtend rote Fläschchen in seinen zitternden Händen, seinen Tod, sein Leben, seine Freiheit.
Eamons Atem ging abgehackt, und sonderbarerweise spürte er etwas Nasses auf seinen Wangen. Regen? Es herrschte doch strahlender Sonnenschein.
Nevliin wandte seinen Kopf, langsam, und sah Eamon an, ausdruckslos, jedoch nicht kalt.
Eamon nickte, biss die Zähne zusammen, und Nevliin streckte ihm die Phiole entgegen, als prostete er ihm zu. Es gab keine letzten Worte, keinen Abschied, nur diesen letzten Blick der schwarzen Augen.
Dann hob Nevliin das Glas mit dem tödlichen Drachenblutan seine Lippen und kippte es hinunter. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Es war zu
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