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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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geben. Ich dachte daran, sie noch etwas dünner zu machen und ihre Glieder ein wenig länger darzustellen, als man das von uns Menschen kennt. Sie sollten noch fremder wirken. Vielleicht kann man ihrer Blässe auch mehr Tiefe geben, wenn man mehr dünne Schichten Farbe aufträgt.«
    »Ach, Guido, du bist der beste Miniaturenmaler in unserer Schreibstube, aber du machst dich der Sünde der Eitelkeit schuldig, ganz zu schweigen von den Sünden, um die du nichtwissen kannst. Im Übrigen brauchst du dreimal so lange wie jeder andere Schreiber hier, um eine Miniatur zu vollenden.« »Aber meine Bilder sind auch schöner als die aller anderen«, begehrte Guido auf.
    »Das meinte ich«, sagte der Abt. »Eitelkeit ist dein Laster. Einem Ordensbruder, der sich und sein Leben Tjured geschenkt hat, steht Bescheidenheit besser zu Gesicht. Jeder hier weiß, dass du bei weitem der beste Maler in der Schreibstube bist. Allein dir wird die Ehre zuteil, die Schriften für das Königshaus zu illustrieren. Genügt dir die stille Freude daran nicht?«
    Der Ordensbruder seufzte. »Natürlich hast du Recht. Aber jeder hört es gerne, dass er gute Arbeit geleistet hat. Wie oft stehe ich bis tief in die Nacht bei Kerzenschein an meinem Schreibpult! Wie oft arbeite ich immer noch an meinen Miniaturen, wenn alle anderen Brüder und Schwestern sich längst in ihre Kammern zurückgezogen haben! Und was ist mein Lohn? Mein Bett ist nicht weicher, meine Kutte nicht aus feinerer Wolle. Ich esse dieselben Speisen wie alle Brüder und Schwestern, obwohl ich ihnen in meinem Fleiß ungleich bin. Verdiene ich dann nicht wenigstens ein Lob? Ist das zu viel verlangt, Bruder Abt?«
    Während er sprach, wusch Guido die dunkelblaue Farbe aus dem dünnen Pinsel, mit dem er am liebsten malte. Dann befeuchtete er Daumen und Zeigefinger mit der Zunge und formte die Marderhaare sorgfältig wieder zu einer feinen Spitze.
    »Komm zu mir, Guido«, sagte der Abt und ging zum Südfenster hinüber. Lucien war ein alter glatzköpfiger Mann, über den sich die Brüder und Schwestern des Refugiums die abenteuerlichsten Geschichten erzählten. Trotz seiner Jahre hielt sich der Abt kerzengerade, und sein Rücken war breit und kräftig wie bei einem Schmied. Lucien führte ihr kleines Refugium mit großer Strenge. Kein Vergehen blieb ungesühnt, und er wusste genau, wem er mit welcher Strafe am meisten zusetzte. Doch zugleich war das Herz des Abtes voller Güte. Wer sich ihm anvertraute, der wusste bei ihm seine Sorgen und Ängste wohl verwahrt.
    Bevor er auf den Mons Gabino gekommen war, hatte Guido in einem anderen, größeren Refugium gedient. Nur ungern erinnerte er sich daran zurück. Eitles Intrigenspiel hatte das Zusammenleben der Brüder und Schwestern dort vergiftet, Missgunst und Neid hatten den Tag beherrscht. Hier war das anders. Sie waren wie eine große Familie. Alles hatte seine Ordnung, und der Miniaturenmaler wusste, dass dies ihrem Abt zu verdanken war.
    Wer Lucien zum ersten Mal begegnete, der musste sich zwingen, nicht angewidert den Blick abzuwenden. Eine grässliche Narbe lief dem Abt quer durch das Gesicht, sie reichte vom Kinn bis zur linken Augenbraue hinauf. Sein linkes Auge war nur noch eine leere Höhle, die sich immer wieder entzündete. Doch am schlimmsten waren die Lippen anzusehen. Wulstig und so dick wie zwei Würste, waren sie gewiss nie ein schöner Anblick gewesen. Doch der Schwerthieb, der den Abt einst getroffen hatte, hatte ihm auch die Lippen gespalten, und sie waren so ungleich verheilt, dass es aussah, als sei eine Hälfte des Mundes einen Finger breit nach oben verrutscht. Auch konnte er durch diese Verstümmlung seinen Mund nicht mehr richtig schließen, und so sah er aus wie ein Raubtier, das drohend die Zähne bleckte.
    Guido steckte den Marderhaarpinsel sorgfältig in den angeschlagenen Tonbecher zu den anderen Pinseln. Wahrscheinlich war es auch eitel, wenn man seinen Arbeitsplatz in Ordnung hielt, dachte er ärgerlich. Er ahnte, was für eine Art Predigt ihn erwartete, und hatte es nicht eilig damit, an die Seite des Abtes zu treten. Er rückte die flache Schale zurecht, in der er sein Blau angerührt hatte, dann prüfte er, ob das kleine Kristallgläschen, in dem er den zerstoßenen Aquamarin verwahrte, auch gut verschlossen war. Zu den Geheimnissen seiner Miniaturen gehörte, dass er nur die besten Materialien verwendete und jede Farbe selbst anmischte.
    »Guido!«
    Der Ordensbruder seufzte, trat an das Fenster und betete

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