Elfenlicht
sie wütend zu ihm auf. Eine Lutin.
»Bitte lass mich allein, ich bin in Trauer«, sagte er leise. »Und ich bin wütend«, entgegnete sie bissig.
»Es gibt nur einen Weg für dich, mich wieder loszuwerden. Beantworte meine Frage!« Der Schwertmeister seufzte. Die Lutin galten als das launischste unter den Koboldvölkern. Er hatte nie begriffen, warum Emerelle einigen von ihnen gestattete, sich ihrem Hofstaat anzuschließen. Mit ihnen gab es nichts alsÄrger. Dass dieser Quälgeist hier erschienen war, war sicherlich mehr als nur ein unglücklicher Zufall. Die Königin musste dieses Treffen arrangiert haben. Aber was bezweckte sie damit?
»Die Trolle haben ein Tor im Albenstern des Thronsaals geöffnet. Emerelle hat sie vertrieben. Das ist geschehen«, erklärte Ollowain knapp.
»Sei einmal still und lausche!« Die Lutin stützte die Hände in die Hüften und sah ihn an, als wolle sie ihn zum Duell fordern. »Was hörst du?«
»Das ist jetzt wirklich ...«
»Was hörst du?«, beharrte sie.
»Den Wind in den Bäumen.«
»Und sonst?«
Ollowain zuckte mit den Achseln. Er ahnte, worauf sie hinauswollte, aber er mochte nicht über die Stille sprechen. »Nichts.«
Mit einer weit ausholenden Bewegung deutete sie zum Park hinab. »Dort müssten Grillen ihr Frühlingslied singen. Fledermäuse sollten um die Türme der Burg jagen und Glühwürmchen in den Ästen der Obstbäume tanzen. Aber dort ist nichts. Ich habe hunderte von toten Grillen im Gras gefunden. Die kleinen Vögel sind geflohen. Gestern Nacht war ich bei einer Auenfee. Ich war dabei, als sie ihr Kind tot geboren hat. Die ganze Nacht habe ich auf sie eingeredet. Als ich heute Morgen kurz hinausgegangen bin, ist sie zum See hinabgeflogen und hat sich ertränkt.«
Die Stimme der Lutin überschlug sich vor Wut. »Du wirst mir sagen, welchen Preis Emerelle gezahlt hat, um die Trolle zu vertreiben, Schwertmeister. Was hat sie ins Herzland gelassen?« Sie hob drohend einen Zeigefinger. »Und versuch es nicht noch einmal mit Ausflüchten, sonst verwandele ich dich in eine Made und zerquetsche dich unter meinem Fuß!«
»Ich ...«, begann Ollowain.
»Es ist wohl eher an mir zu antworten.« Emerelle trat aus den Schatten der Terrasse.
Ollowain hatte sie nicht kommen hören, und auch die Lutin wirkte überrascht, die Herrin Albenmarks so plötzlich vor sich stehen zu sehen. Allerdings machte das kleine Koboldweib keinerlei Anstalten, sich um die gebührende Höflichkeit zu bemühen. »Umso besser, du kannst mir sicher aufschlussreicher Bericht geben als dieser stumpfsinnige Schwertfuchtler. Was hast du getan, Emerelle?«
Ollowain beugte sich hinab, um die Lutin zu packen und fortzubringen. Niemand sprach ungestraft derart respektlos mit der Königin! Der Menschentölpel Mandred hatte es einst nicht besser gewusst, aber Ganda war sich darüber im Klaren, dass es eine Beleidigung war, wenn sie die Herrin Albenmarks ansprach, als rede sie mit ihresgleichen und nicht mit einer Königin.
»Wage es nicht, Schwertzappler!« Die Lutin schnippte mit den Fingern, und ein zierlicher, in Spiralen gedrehter Eschenstab erschien in ihrer Rechten.
»Lass es gut ein, Ollowain. Ganda hat das Recht, mir ihre Fragen zu stellen. Wenigstens sie. Du hast versucht, die Schatten zu vertreiben, nicht wahr?«
Das kleine Koboldweib ließ den Zauberstab sinken. »Ja. Die ganze Nacht habe ich an Mondblütes Lager gekämpft. Sie hat sich das Kind so sehr gewünscht. Du musst wissen, ein Eichel
häher hat ihren Liebsten in den letzten Wintertagen geschnappt. Sie wollte ...« Der Lutin standen Tränen in den Augen. »Ich beherrsche viele Bannzauber, aber diese Kreatur konnte ich nicht vertreiben. Es war, als wollte ich einen Schatten mit Händen greifen. Die ganze Nacht war es da. Mondblüte hat sich zu Tode geängstigt. Sie behauptete, der Schatten spreche zu ihr. Ich habe nichts gehört. Aber sie hat sich das bestimmt nicht eingebildet. Ich glaube, es war ihre Angst, die das Kind getötet hat. Und kalt war es. So kalt, als sei der Winter zurückgekehrt. Was hast du getan, Emerelle? Warum mussten Mondblüte und ihr Kind sterben? Warum schweigendie Vögel in den Ästen und die Grillen im hohen Gras? Wen hast du gerufen, um das Herzland gegen die Trolle zu schützen?«
Emerelle atmete schwer aus. »Weisheit sollte die Herrin all meiner Taten sein. Nicht Zorn und auch nicht Liebe. Deshalb erscheine ich vielen bei Hofe so kaltherzig, ja sogar ungerecht. Gerechtigkeit kann Schwäche sein,
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