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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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gleich der Name der bestohlenen Diebin? Eine Witzfigur war sie geworden, weil sie so dumm gewesen war, dem Schwertmeister zu vertrauen.
    In den letzten beiden Tagen hatte Ganda oft an die Geschichte des Meisterdiebs Cabak gedacht. Jeder in ihrem Volk kannte sein Schicksal. Was Cabak widerfahren war, hätte ihr eine Lehre sein sollen, sich nicht mit Emerelle einzulassen!
    »Ganda?«, fragte der Mausling leise. »Soll ich später noch einmal wiederkommen? Möchtest du lieber allein sein?«
    Die Lutin seufzte. Rika hatte schon Recht. Sie war es Breitnase schuldig, sich die Hand wenigstens anzusehen. Man sollte schließlich nicht von ihr sagen können, sie sei undankbar wie eine Elfe. Immer noch zögerlich streckte sie die Hand aus.
    Das Silber fühlte sich warm an. Lebendig. Ungläubig hob sie das Kleinod vom Samttuch. Es war, als gebe sie jemandem die Hand! Das Silber gab leicht unter ihrem Druck nach, ganz so, wie eine Hand aus Fleisch und Sehnen es getan hätte.
    Zutiefst verunsichert sah sie Breitnase an. »Das ist wirklich Silber?« Man sah dem Mausling den Stolz auf seine Arbeit an.
    »Das war einmal Silber. Ich habe mit sehr reinem Silber meine Arbeit begonnen und verschiedene andere Metalle hinzugefügt. Und Magie. All mein Wissen über Anatomie steckt darin. Im Inneren der Hand gib es genaue Nachbildungen jedes Handknochens. Sehnen und Muskeln habe ich auch nachgebaut. Es gibt feine Seilzüge und Winden aus Draht, den ich aus Silberstahl gezogen habe. Der einzige Unterschied zu deiner richtigen Hand besteht darin, dass du mit der Silberhand wesentlich kräftiger zupacken kannst. Und ... nun ja, du wirst kein Gefühl in der Hand haben. Kein Schmerzempfinden und kein Gefühl für Hitze oder Kälte.«
    Ganda legte die Hand zurück auf den Samt. Sie streckte ihre Rechte daneben aus und verglich die Kunsthand mit der Hand, die ihr geblieben war. Sie scheute davor zurück, dass etwas künstlich Erschaffenes etwas natürlich Gewachsenes ersetzen sollte. Die kurze Zeit in Rikas Hütte hatte sie schon gelehrt, wie hilflos man in den banalsten Dingen plötzlich war, wenn eine Hand fehlte. So hatte sie die Verschnürung ihres Kleides nicht mehr mit einer Schleife schließen können. Wie ein Kind musste sie um Hilfe bitten, wenn sie sich anziehen wollte! Das empfand sie als demütigend, auch wenn Rika ihr gerne half.
    »Du weißt, dass wir Lutin gut darin sind, die Gestalt von Tieren anzunehmen. Was geschieht, wenn ich mich verwandele?«
    Breitnase kratzte sich hinter dem Ohr. »Ja, das war in der Tat ein großes Problem. Es hat mich viele Stunden gekostet, eine Lösung zu finden. Wie du weißt, umgibt alles Lebendige eine Aura. Wenn die Hand eins mit dir geworden ist, wird sie auch mit deiner Aura verschmelzen. Ich glaube, sie wird sich mit dir verwandeln! Ganz sicher kann man das aber erst wissen, wenn wir es versucht haben. Ich habe mich da in neue Bereiche vorgewagt. Bisher musste ich noch nie ein künstliches Glied erschaffen, das sich auch noch in der Form verändern musste.«
    Ganda hatte ein flaues Gefühl im Magen. »Was heißt, wenn es eins mit mir geworden ist?« Der Mausling zog die Schutzkappe vom Stumpf der Hand, sodass sie Drähte und die in Silber nachmodellierten Knochen erkennen konnte. Ganda war überrascht zu sehen, dass die Hand hohl war. Sie hatte sich massiv angefühlt.
    »Wenn ich die Hand auf deinen Stumpf aufsetze, wirke ich einen Zauber, der Knochen, Muskeln und Sehnen mit dem lebenden Silber verbindet. Die Prothese wird so beweglich sein wie eine Hand aus Fleisch und Blut. Du könntest Flöte mit ihr spielen oder Harfe. Der Augenblick der Verschmelzung ist schmerzhaft. Rika kann dir gewiss eines ihrer wunderbaren Zaubermittel geben, um den Schmerz zu lindern. Nach zwei oder drei Tagen sind die Schmerzen dann völlig verschwunden. Aber im Augenblick der Verschmelzung werden einige Drähte tief in dein Fleisch eindringen. Das lebende Silber wird eins mit dir werden.«
    Die Vorstellung, dass sich Drähte wie Würmer tief in ihren Arm fressen würden, hatte etwas Abstoßendes. Die Lutin betrachtete die Hand mit neuem Widerwillen. »Kann man die Hand wieder abnehmen, wenn ich nicht mit ihr zurechtkomme?«
    »Tja«, Breitnase wich ihrem Blick aus. »Also, dir ist klar, dass die Hand wirklich eins mit dir wird, wenn ich sie anlege. Sie abzunehmen ... Das wäre wie eine Amputation. Man müsste ein Messer nehmen.« Er zupfte verlegen an seiner Nase. »Aber du solltest dir nicht solche Gedanken machen,

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