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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Gefährte, und es entstand eine Gasse, weit genug, die Kutsche des Fürsten durchzulassen.
    Ganz deutlich sah Misht seinen Kameraden, der immer noch auf dem Trittbrett stand. Was wollte Nossew beweisen? Es war unmöglich, inmitten von Shandrals Gefolge unentdeckt zu bleiben.
    Die Kutsche fuhr zur Mitte des Platzes. Aus bunten Steinen war ein riesiger Stern in das Kopfsteinpflaster eingelassen. Städte, so groß wie Feylanviek, entstanden an den Kreuzungen bedeutender Handelswege. Der Ort war hier im trocken gelegten Sumpfland angesiedelt, weil der Mika bis zu dieser Stelle selbst bei Niedrigwasser schiffbar war. Er lag hier, weil ganz in der Nähe die Honigstraße durch die Steppe führte, der uralte Handelsweg von Nord nach Süd. Und er lag hier, weil dies einer der wenigen Plätze in der Steppe war, wo sich ein großer Albenstern befand. Ein wenig außerhalb gab es sogar noch einen zweiten, an dem sich sechs der goldenen Pfade kreuzten.
    Wer das nördliche Windland bereiste, der kam fast unweigerlich nach Feylanviek, ganz gleich, ob er auf einer Staubpiste unterwegs war, zu Wasser reiste oder sich den goldenen Pfaden durch das Nichts anvertraute. Und wer es eilig hatte, die Stadt wieder zu verlassen, der kam zum Sternplatz.
    Nossew sprang ab, als die Kutsche des Fürsten anhielt. Er beeilte sich, den Verschlag aufzureißen, und verneigte sich tief, als Shandral ausstieg. So blieb sein Gesicht unerkannt.
    Der Elfenfürst hinkte wie ein ausgemusterter Koboldveteran. Schwer stützte er sich auf den schwarzen Stab. Rings herum herrschte atemlose Stille. Von Ferne hörte man die Hämmer der Schmiede, und Misht hatte das Gefühl, dass sie seinem Herzen den Rhythmus vorgaben. Es pochte schmerzhaft in seiner Brust. Sein Atem ging keuchend von der halsbrecherischen Jagd über die Dächer. Er klammerte sich an einem rostigen Wetterhahn auf der Spitze eines Türmchens fest, das verspielt aus der Flanke eines großen Gildenhauses wuchs. Ob man ihn vom Platz aus sehen konnte, war Misht inzwischen egal. Das Einzige, was für ihn noch zählte, war, dass ihm nichts entging.
    Inmitten des Platzes erhob sich plötzlich ein Bogen aus strahlendem silbernem Licht. Es war ein Torbogen in die Finsternis. Misht wusste, dass es dort auch einen goldenen Pfad geben musste, doch die Fuhrwerke verstellten ihm den Blick darauf.
    Shandral winkte den Kutschen, und langsam setzte sich die Kolonne wieder in Bewegung. Einige der Pferde scheuten und mussten mit Gertenhieben durch das Tor gerieben werden. Wenn alle Schläge nicht halfen, verband man ihnen die Augen, und ein Diener führte sie am Zügel ins Nichts.
    Wagen um Wagen verschwand durch das Tor. Dann folgten in Dreierreihen die Armbrustschützen. Schließlich war nur noch Shandrals Kutsche auf dem weiten Platz. Hinkend kehrte der Fürst zurück. Nossew riss ihm den Verschlag auf.
    »Lass es damit gut sein«, flüsterte Misht beschwörend.
    Der Kutscher ließ seine Peitsche über die Köpfe der Pferde knallen. Nossew warf den Verschlag zu. Dann sprang er auf das Trittbrett, und die Kutsche verschwand durch das Silbertor.
    Misht wartete, bis der Zauber vergangen war und der Platz verlassen im Mondlicht lag. Bis zuletzt hatte er gehofft, Nossew werde es sich noch anders überlegen und durch das Tor zurückkehren, bevor es sich schloss. Doch der Dickschädel hatte andere Pläne.
    Ein verlorener Soldatenstiefel, der in einer Pfütze lag, war alles, was von Shandrals Haushalt zurückgeblieben war.
    Misht kletterte vom Wetterhahn herunter und stieg vorsichtig von der Dachkuppel. Es war an der Zeit, nach Melvyn zu suchen.

LEBENDES SILBER

    Ganda betrachtete voller Widerwillen die silberne Hand, die vor ihr auf einem blauen Samttuch lag. Sie war ein Kunstwerk, das ließ sich nicht bestreiten. Ihr Stumpf war mit einer breiten Lederkappe bedeckt, wie der Stumpf, in dem Gandas Arm endete.
    »Nun komm schon«, sagte Rika. »Berühr sie. Sie beißt dich schon nicht.« Ganda sah die Hexe skeptisch an. »Ich habe nicht um diese Hand gebeten.« Breitnase, der Mausling, trat auf das Samttuch und hakte die Daumen in seine Weste. »Weißt du, wie viel Arbeit das war? Als du schliefst, habe ich deine Hand genau vermessen. Ich kenne sie wahrscheinlich besser als du selbst. Die Schwielen, die Wirbel auf deinen Fingern, das geschwollene Gelenk an deinem Ringfinger und die alte Narbe an der Handkante. Ich habe deine Knochen vermessen.« Ganda überlief ein Schaudern. »Wie geht das, wenn noch Fleisch an meinen

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