Elfenlicht
fürchtet. Warum kennst du Schriften nicht, die mehr als zehn Jahre alt sind, wenn du Elija und seiner Sippe so nahe stehst?«
»Rika«, sagte Breitnase vorsichtig. »Ich glaube, sie und der Elf haben sich gründlich auf den Albenpfaden verlaufen. Der Elf hat mir ganz komische Fragen gestellt. Ich glaube, sie waren so etwa vierzehn Jahre fort.«
Ganda traute ihren Ohren nicht. »Wie lange waren wir fort? Vierzehn Jahre?«
»Na, da kann man wohl von Glück sagen, dass du schon lange nicht mehr die Pfadfinderin des großen Elija Glops bist. Man stelle sich einmal vor, Elija würde für vierzehn Jahre auf den Albenpfaden verschwinden. Nicht auszudenken!«
»Da war eine Falle«, sagte Ganda, immer noch ganz benommen von der Auskunft, wie lange sie fort gewesen war. Sie dachte an den Zauber, der wohl verborgen in den Albenpfad, der nach Iskendria führte, eingewoben war. Wer das Tor dort ohne Argwohn öffnete, der würde ihn nicht einmal bemerken. War es dieser Zauber, der ihr die Jahre gestohlen hatte? Für Unerfahrene war es gefährlich, sich durch das goldene Netz zu bewegen. Ging man durch mindere Albensterne oder machte einen Fehler, wenn man ein Tor öffnete, dann wurde man in die Zukunft davongetragen. Das lernte jeder Pfadfinder, noch lange bevor zum ersten Mal über den Torzauber gesprochen wurde. Aber sie hatten in Iskendria einen großen Albenstern geöffnet. Der Weg hätte sicher sein müssen! Hunderte Male war Ganda durch das goldene Netz gewandert. Nie war ihr ein Fehler unterlaufen!
»Elija hat mir immer blind vertraut«, sagte sie und leckte sich nervös die Schnauze. Wer hatte die Macht, einen Albenpfad zu manipulieren? Und noch dazu auf eine Art, dass es kaum auffiel!
»Rika«, sagte Breitnase aufgeregt. »Auf den ersten Seiten von KOBOLDE ZUM LICHTE EMPOR schreibt der große Elija vom Roten Schlüsselchen. Sie hat immer ein rotes Kleid getragen. So ein Kleid, wie Ganda es anhat. Er beschreibt es.«
Die Lutin schluckte. Sie war überrascht, wie sehr es sie berührte, von einem Fremden mit dem Kosenamen angesprochen zu werden, den Elija ihr vor vielen Jahren gegeben hatte. Das war eine Marotte von ihm gewesen. Allen, die ihm wichtig waren, hatte er einen neuen Namen gegeben. Meistens hatten sie mit ihren besonderen Eigenschaften zu tun gehabt. Sie hatte er Schlüsselchen genannt, weil sie für ihn die Tore zu den Albenpfaden geöffnet hatte, wenn er wieder eine lange Reise gemacht hatte. Auf seine Art hatte Elija sie wohl wirklich geliebt.
»Der große Elija hat geschrieben, dass sie das rote Schlüsselchen auf Burg Elfenlicht verschleppt haben, in die finsteren Kerker der großen Knechterin.«
»Mich hat niemand verschleppt!«, stellte Ganda energisch klar.
Der Mausling zupfte sich aufgeregt an der Nasenspitze. »Nein, nein, das verstehst du nicht. Sie sind sehr durchtrieben. Oft merken wir gar nicht, was sie mit uns machen. Aber der große Elija kennt alle ihre Schliche. Ihn können sie nicht hinters Licht führen.« Breitnase lief zu dem Heft auf dem Boden und tanzte aufgeregt darauf herum. »Das solltest du lesen. KOBOLDE ZUM LICHTE EMPOR gehört zu den älteren Schriften. Elija schreibt dort viel über seine frühen Weggefährten. Du wirst alles verstehen, wenn du es liest, Rotes Schlüsselehen.«
Und der war einer der größten Magier, dachte Ganda bei sich. Sie hob das Heft auf. Was Elija wohl über sie geschrieben hatte? Er hatte schon früher die sonderbare Gabe gehabt, dass die Leute ihm einfach alles glaubten.
Die Lutin blätterte in dem Heftchen. Einzelne Sätze sprangen sie an. Wir alle sind Albenkinder! Warum behandeln die Elfen uns dann nicht wie ihre Brüder und Schwestern? Warum sind wir ihre Diener, wenn wir Kinder derselben Eltern sind? Wacht auf, ihr Unterdrückten! Niemand wird zum Sklaven geboren! Doch wird euch auch niemand die Ketten nehmen, wenn ihr es nicht selbst tut. So lange wir dienen, stärken wir die Macht, die uns den Rücken beugt.
Ganda konnte sich nur schwer der Macht seiner Worte entziehen. Vielleicht hatte er ja Recht? Sie dachte an Ollowains Verrat. Sie hätte es besser wissen müssen! Emerelle zu dienen war ein Fehler. Keinem Kobold ist je aus dem Umgang mit den Elfen etwas Gutes erwachsen, hatte Elija immer gesagt. Und was sie anging, war er wahrlich ein Prophet gewesen.
Rika schlug die schwere Klappe der Truhe zu. »Bist du das Rote Schlüsselchen?«
»Ich war es einmal. Was ich jetzt noch bin, weiß ich nicht mehr.«
»Du bist meine Schwester,
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