Elfenlicht
gute Fortschritte. Sie hatten den Boden der Baustelle geebnet und die Fundamente gelegt. Es war unübersehbar, dass die Menschen sich auf Dauer einrichteten. Zum ersten Mal bauten sie eine Grenzbefestigung aus Stein, und das mitten auf dem wichtigsten Pass nach Süden. Wollten sie ihn herausfordern? Oder war ihre Angst vor seinem Volk so groß?
Für seinen Geschmack waren sie zu weit in die Jagdgründe der Trolle vorgestoßen. Wohin sollte das führen? Träumten sie etwa davon, die Nachtzinne anzugreifen?
Er musste unwillkürlich lächeln. Das war albern. Auch wenn seine Felsenburg bei weitem nicht über die raffinierten Verteidigungsanlagen Phylangans verfügte, wäre sie für Menschen doch ähnlich unangreifbar. Niemals würden sie die steile Felsnadel erobern! Ihre Burg dort unten war der Ausdruck ihrer Angst vor seinem Volk. Er sollte sie gewähren lassen. Seine jungen Krieger würden sich mit den Patrouillen herumschlagen können, die von hier aufbrechen würden, wenn das Bauwerk erst einmal vollendet war. Das wäre eine gute Übung für sie.
Orgrim streckte die Glieder. Er hätte den König der Menschen gern einmal kennen gelernt. Dieser Alfadas war ein tapferer Mann. Er genoss sogar unter den Elfen großes Ansehen. Der Herzog der Nachtzinne spielte mit dem Gedanken, einfach in das Lager der Menschen zu schlendern. Aber sie hatten zu viele Bogenschützen dort unten, und sie waren zu ängstlich. Er würde gar nicht bis zu Alfadas vordringen, obwohl es da unten nicht einen einzigen Krieger gab, der sich mit ihm hätte messen können. Außer der Elfe vielleicht, die er schon oft in der Nähe des Königs beobachtet hatte.
Das Geräusch schlurfender Schritte und das leise Klicken eines Holzstabs ließen ihn herumfahren. Skanga! Die alte, gebrechliche Schamanin kam zu ihm herauf. Er seufzte. Dann gab er seinen Beobachtungsposten auf und ging ihr entgegen.
»Es gibt wohl keinen Ort, an dem man vor dir sicher ist, Alte.«
»Hast du es denn nötig, dich vor mir in Sicherheit zu bringen?«, stieß sie vor Erschöpfung schnaufend hervor.
Er lachte. »Stets zu einem kleinen Wortgeplänkel aufgelegt, was? Komm, setz dich.« Die Schamanin blieb stehen. Ihre schneeweißen blinden Augen musterten ihn durchdringend. Der Fürst fragte sich, wie sie ihn wohl sah. Natürlich war Magie dabei im Spiel. Aber wie mochte er wohl aussehen für sie?
»Du hast von der Schlacht am Mordstein gehört?« Orgrim war überrascht. Nur wenige Trolle besaßen die Macht, die Albenpfade zu beschreiten und zwischen den Welten zu wandern. Nachrichten aus Albenmark waren deshalb selten.
»Sie haben die Snaiwamark angegriffen. Ich hätte nicht gedacht, dass sie das wagen würden.«
»Wir hatten ein Heer versammelt, das fünfmal so stark war wie das der Elfen und Kentauren.« Orgrim ahnte Schlimmes. Schweigend hörte er sich den Bericht der Alten an. Er war erschüttert. Von Süden gab es nur einen Weg, den ein Heer auf die Ebene am Mordstein nehmen konnte. Es wäre ein Leichtes gewesen, diesen Anmarschweg zu blockieren! Zweihundert Trolle hätten genügt, um das Heer Albenmarks aufzuhalten, bis Verstärkungen gekommen wären. Aber Orgrim hütete sich, der Alten Vorwürfe zu machen. Sie war berüchtigt für ihre Launen.
»Wie viele Tote sind es auf unserer Seite?«
»Zu viele.« Skanga presste die Lippen zusammen. Ein Muskel in ihrer Wange zuckte. »Viel zu viele. Aber wir haben gesiegt. Wir haben das Schlachtfeld gehalten. Es waren die Elfen und ihre Verbündeten, die flohen.« »Warum bist du zu mir gekommen, wenn ihr doch gesiegt habt?«
»Weil ich weitere Siege dieser Art fürchte.« Plötzlich ließ sie sich auf die Knie sinken. Ihre Gelenke knackten schauderlich. »Ich bitte dich, uns zu helfen, Orgrim. Sieh mich an! Es ist Jahrhunderte her, dass ich vor jemandem niedergekniet bin. Ich weiß nicht einmal, ob ich aus eigener Kraft wieder hochkommen werde. Aber auf der Ebene am Mordstein ist mein Stolz zu Asche geworden. Tausende unserer Welpen haben dort erschlagen gelegen. Jungen, die es verdient gehabt hätten, unter den Wölfen aufgenommen zu werden und sich Krieger zu nennen. Die Elfen sind schwach. Wir werden sie letztlich besiegen. Aber ich fürchte den Preis des Sieges. Du hast selbst einen ganzen Wurf junger Welpen gezeugt. Du weißt, wovon ich rede. Ich bitte dich, Orgrim, steh uns bei! Wenn es sein muss, werde ich sogar deine Füße küssen. Ich werde alles tun, was du verlangst. Ich ...«
Orgrim packte sie bei den Schultern
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