Elfenlicht
dann würde der Beobachter für immer gehen.
DIE LAST DER TOTEN
Orgrim betrachtete das Antlitz des toten Königs. Im Fackellicht sahen seine Züge sehr hart aus. Die Falten wirkten tiefer. In den toten Augen spiegelten sich Flammen, obwohl ihr Feuer längst verloschen war. Es war still auf dem Schlachtfeld. Noch immer schneite es, doch der einzige Laut war das Zischen des heißen Pechs, das von den Fackeln in den Schnee troff.
Der Herzog der Trolle versuchte zu begreifen, warum der Herrscher der Menschen ihm das angetan hatte. So lange hatten sie nebeneinander in Frieden gelebt. Nur ihre jungen Krieger hatten gelegentlich miteinander die Kräfte gemessen, doch es waren keine Heere marschiert. Der Himmel war nicht schwarz vom Rauch brennender Städte gewesen – und nun das! Der Mann, dem er sein Weib und sein Kind geschenkt hatte, als er diese dem Tode nahe im Schneesturm gefunden hatte, war gekommen, um ihm Weiber und Kinder zu nehmen! Warum? Orgrim konnte das nicht begreifen! Warum war Alfadas so leicht zum Krieg zu verführen gewesen? Was hatten die Elfen ihm für Gift in die Ohren geträufelt, um seinen Verstand zu blenden?
Der Herzog hatte immer geglaubt, die Menschen zu kennen. Während der Kämpfe in der Snaiwamark hatte er sie zu respektieren gelernt. Sie waren klein und schwächlich, aber sie kämpften mit dem Mut einer in die Enge getriebenen Schneelöwin, die ihre Jungen verteidigte.
Er atmete tief die kalte Winterluft ein und versuchte all die widerstreitenden Gefühle niederzukämpfen, die in seiner Brust tobten. Hass, Trauer, Zorn. Er wusste, dass es das war, was die Elfen erreichen wollten. Doch dieses Wissen half ihm nicht, seinen Schmerz zu überwinden. Sie wollten, dass er unbedachte Entscheidungen fällte. Das war geschehen, um ihn aus dem Krieg in Albenmark zu ziehen. Wäre er doch niemals mit Skanga gegangen! Hätte er nur der Versuchung des Ruhmes widerstanden! Es war sein Ehrgeiz, der ihn nach Albenmark zurückgebracht hatte. Die Aussicht, ein Heer zu führen, wie es bislang nicht einmal die Könige der Trolle befehligt hatten. Die Aussicht, Unsterblichkeit in den Heldensagen seines Volkes zu erlangen als jener Herzog, der Emerelle von ihrem Thron vertrieb. Um all das zu erreichen, sollte er nur ein halbes Jahr nach Albenmark zurückkehren. Und er hatte die Seinen in Sicherheit gewähnt. Die Nachtzinne war eine starke Festung ...
Er ballte die Fäuste in hilfloser Wut. So wie Phylangan es einst gewesen war. Die Botschaft der Elfen war angekommen! Sie wollten Rache ... War es so einfach? War er ihnen vielleicht schon in das Netz aus Heimtücke und Bosheit gegangen? Verstrickt in Gedanken, von denen sie wünschten, dass sie ihn quälten.
Er schrie seinen Schmerz und seine Verzweiflung in die Nacht. Unvermittelt riss er dem Krieger, der neben ihm stand, die Fackel aus der Hand. Er packte mit der Faust in die Flammen. Seine Finger schlossen sich um die pechgetränken Lappen und erstickten Flammen und Glut. Orgrim hechelte vor Schmerz, und doch vermochte die Pein des gemarterten Fleisches nicht den Schmerz auszulöschen, der in seiner Brust tobte. Er hatte verloren, ganz gleich, wie viele Menschen und Elfen er töten würde. Selbst Emerelles Thron würde ihn nicht entschädigen. Was war ein Stück Holz wert im Vergleich zu seinem Weib und seinen Kindern. Doch um dieses Stück Holz zu halten, war all das hier geschehen, dachte er zornig.
Er blickte ins Antlitz des toten Menschenkönigs. Alfadas hatte lange an Emerelles Hof gelebt. Er hatte sogar eine Elfe zum Weib, so hieß es. Er hätte das Ränkespiel doch durchschauen müssen! Was hatte ihn nur getrieben? Dass ein so tapferer Mann zugleich so dumm und verblendet sein konnte! Alfadas hatte gut gekämpft. Mit einer Hand voll Krieger hatte er sich in einer Klamm verschanzt, während seine übrigen Männer in die Berge geflohen waren. Der König hatte einen Trollkrieger getötet und einen weiteren übel verletzt. Und dabei hatte er zum Schluss allein gekämpft. Orgrim würde sein Herz essen, sobald die Toten gerächt waren. Alfadas hatte es verdient, dass man ihm Ehre erwies.
Der Herzog blickte zu Helog, dem Krieger, den die Elfen ihm entgegengetrieben hatten. Ihm die Daumen abzuschneiden, war selbst für Elfen niederträchtig. »Glaubst du, die Menschen wussten vom Plan der Elfen, unsere Leute zu ermorden?«
»Das kann ich nicht sagen. Sie sind vorher gegangen. Selbst unter den Elfen hat es Streit gegeben, als die Schiffe
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