Elfenliebe
kamen.
»Noch ist niemand da«, sagte Tamani.
»Ich …«, Laurels Stimme versagte und sie begann noch einmal. »Ich hätte gern noch einen Moment…«
Tamani lächelte sanft. »Schön, dass du das sagst.« Er lehnte sich mit gesenktem Blick an einen Baum und stützte sich mit einem Bein daran ab. »Wie lange willst du diesmal wegbleiben?«
Schuldgefühle stiegen in Laurel auf, als sie sich daran
erinnerte, was Jamison gesagt hatte. »Es ist nicht, wie du denkst«, sagte sie. »Ich muss …«
»Ist schon in Ordnung«, unterbrach Tamani sie. »Ich wollte damit nichts Bestimmtes sagen. Ich habe nur gefragt, das ist alles.«
»Nicht so lange wie beim letzten Mal«, sagte sie spontan.
»Also bis wann?«, fragte Tamani und sah sie an. Ausnahmsweise zeigte er seine Gefühle, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick.
»Ich weiß es nicht.« Laurel konnte ihm nicht in die Augen sehen – nicht wenn er sie so offen und verletzlich ansah wie in diesem Moment. »Kann ich nicht einfach irgendwann kommen?«
Tamani schwieg. Dann sagte er. »Okay. Ich werde sehen, was ich tun kann. Hauptsache, du kommst«, sagte er nachdrücklich.
»Versprochen.«
Sie wandten die Köpfe, als sie Motorengeräusche hörten. »Deine Kutsche«, sagte Tamani und grinste gezwungen.
»Danke, Tam«, sagte Laurel. »Danke für alles.«
Er zuckte mit den Achseln, seine Hände blieben in den Hosentaschen vergraben. »Ich habe nichts Besonderes getan.«
»Du …« Sie suchte nach Worten, die ausdrücken konnten, was sie in diesem Moment empfand, doch nichts schien zu passen. »Ich …« Ihren zweiten Versuch unterbrach lautes Hupen. »Das ist meine Mom«, entschuldigte sie sich. »Ich muss gehen.«
Tamani nickte und stand reglos da.
Es lag an ihr.
Sie zögerte. Dann trat sie kurzerhand einen Schritt auf ihn zu, küsste ihn auf die Wange und schoss davon, bevor er etwas sagen konnte. Sie eilte den Weg entlang und auf das Auto zu, dessen Motor inzwischen abgestellt war. Doch Laurel blieb stehen, als sie merkte, dass es nicht das Auto ihrer Mutter war.
»David!« Der Name entschlüpfte ihr, noch bevor er sie in seine Arme nehmen und an sich drücken konnte. Er hob sie hoch und wirbelte sie herum – genau wie Tamani, als er sie vor der Akademie begrüßt hatte. Das Gefühl ihrer Wange an seinem Hals brachte die Erinnerung an zärtliche Augenblicke zurück – mit ihm auf ihrem Sofa, im Gras, im Auto, auf seinem Bett. Während sie sich an ihn klammerte, wurde ihr plötzlich bewusst, dass sie kaum an ihn gedacht hatte. Zwei Monate Sehnsucht brachen sich Bahn, und ihr kamen die Tränen, als sie ihre Arme um Davids Hals schlang.
Mit sanften Fingern hob er ihr Kinn an und küsste sie – zart und beharrlich zugleich. Sie erwiderte den Kuss, obwohl sie sicher sein konnte, dass Tamani aus sicherer Entfernung ihr Wiedersehen beobachtete – mit der undurchschaubaren Miene, die sie so gut an ihm kannte.
Neun
L AUREL?«
Der kleine Zylinder aus Zuckerglas zerbrach, als Laurel zusammenzuckte. »Hier oben«, rief sie erschöpft.
David kam in ihr Zimmer geschlendert, umarmte sie und küsste sie auf die Wange. Aufmerksam studierte er ihre Versuchsanordnung. »Was machst du da?«, fragte er mit unverhohlenem Interesse.
Laurel seufzte und ließ die Glassplitter aus der Hand auf den Tisch rieseln. »Ich versuche, Zuckerglasfläschchen herzustellen.«
»Bestehen die wirklich aus Zucker?«
Laurel nickte und rieb sich die Schläfen. »Du kannst die Stückchen essen, wenn du magst«, sagte sie, erwartete aber nicht wirklich, dass er es tun würde.
David musterte den Haufen Glassplitter mit Skepsis, griff aber dann nach einem größeren Stück. Er untersuchte es kurz und leckte dann über eine flache Stelle, in sicherer Entfernung von der scharfen Spitze.
»Schmeckt ein bisschen wie eine Zuckerstange«, sagte er und legte den Splitter wieder auf den Tisch. »Komisch!«
»Frustrierend trifft die Sache besser.«
»Und wozu soll das gut sein?«
Laurel drehte sich zu ihrer Ausrüstung um und holte eine Glasphiole heraus – eine, die Yeardley noch hergestellt hatte, nicht sie. Bisher war es ihr nicht gelungen, auch nur ein einziges Exemplar zu produzieren. Sie reichte David das Fläschchen. »Einige Zaubertränke und Elixiere können nicht in ihrer endgültigen Form aufbewahrt werden. Deshalb werden sie geteilt. Die Wirkung, die man erzielen will, stellt sich erst bei der Mischung der beiden Ingredienzen ein. Zur Aufbewahrung nimmt man diese
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