Elfenliebe
Zähne zusammen, weil sie wusste, dass ihre Worte ihn verletzen würden, aber sonst würde er ihr wahrscheinlich gar nicht zuhören. »Und wenn du mich nur halb so lieb hast, wie du behauptest, sollte es dir wichtiger sein, was ich denke, als was sie denken.«
Sein Blick verdunkelte sich. Es dauerte eine Weile, aber dann nickte er. »Gut«, sagte er, noch immer mit gesenkter Stimme.
Sie nickte, ohne zu lächeln. Ein Lächeln wäre in dieser Situation unpassend gewesen.
Er folgte ihr und sein schwarzer Mantel rauschte um seine Füße. Nun grübelte er still vor sich hin.
»Laurel!«, rief eine vertraute Stimme. Als Laurel sich umdrehte, entdeckte sie Katya, prächtig gekleidet in ein Seidengewand, das ihre Figur betonte. Über ihren Schultern ragten blassrosa Blütenblätter auf, Ton in Ton mit ihrem Gewand. Sie hatte ihr hellblondes Haar perfekt um den Kopf frisiert und trug einen funkelnden Silberkamm über dem linken Ohr.
»Katya.« Laurel lächelte.
»Ich hatte gehofft, dass du kommst!«, sagte Katya. »Das ist das schönste Fest des Jahres!«
»Ach ja?«, fragte Laurel.
»Unbedingt. Ein neues Jahr beginnt! Neue Ziele, neue Fächer, neue Kurse. Darauf freue ich mich schon lange.« Sie hakte sich bei Laurel ein und ging mit ihr zum entgegengesetzten Ende des Ranges. »Ich glaube, Mara wird
morgen endlich zur Gesellin ernannt«, sagte sie kichernd und warf der dunkeläugigen Herbstelfe einen Blick zu. Sie stand nicht weit von ihnen in einem atemberaubenden violetten Kleid, dessen Ausschnitt so tief war, dass Laurel sich nie im Leben damit in die Öffentlichkeit getraut hätte. Wie Katya stand auch Mara in voller Blüte. Ein bescheidener sechsarmiger Stern, der einer Osterglocke ähnelte, betonte die Farbe ihres Kleides.
Laurel drehte sich um, weil sie sichergehen wollte, dass Tamani ihnen folgte. Als ihre Blicke sich trafen, lächelte sie ihm zu.
»Du hast ihn mitgebracht?«, fragte Katya leise.
»Selbstverständlich«, sagte Laurel extra laut.
Katyas Lächeln war etwas gezwungen. »Wie dumm von mir. Schließlich brauchst du einen Führer. Du bist ja noch nie hier gewesen. Das hätte ich mir denken können. Wir sehen uns nach der Aufführung, ja?« Katya winkte ihr fröhlich zu, drehte sich um und schloss sich einer kleinen Gruppe von Elfen an, die Laurel aus der Akademie kannte. Einige von ihnen starrten sie schamlos an. Sie war so damit beschäftigt gewesen, ihre Umgebung zu bestaunen, dass sie gar nicht gemerkt hatte, wie sehr Tamani und sie die Blicke der Elfen im Zwischengeschoss auf sich zogen. Allmählich dämmerte ihr, warum.
Katya und Mara waren nicht die Einzigen, die in voller Blüte standen. Die Blumen, die den Logenrang färbten, waren klein und unspektakulär im Vergleich zu jenen, die Laurel im Sommer gesehen hatte. Wie bei ihr selbst waren sie meist einfarbig und schlicht geformt. Doch sie blühten alle, jede einzelne Herbstelfe.
Nur Laurel nicht.
Laurel dachte über die Temperatur in Avalon nach. Es war ein bisschen kühler als im Sommer, aber der Unterschied war wirklich nicht groß. Woher wussten die Elfenkörper, wann sie blühen sollten? Lag es am Winkel der Sonneneinstrahlung? An den leichten Temperaturunterschieden? Es war schlüssig, dass das gemäßigte Wetter in Avalon die Herbstblüte verzögerte – und möglicherweise verlängerte –, aber wie lange? Laurel machte sich in Gedanken eine Notiz, im nächsten Sommer, wenn sie wieder in Avalon sein würde, mehr über die Umstände der Blüte herauszufinden. Bis dahin musste sie sich damit zufriedengeben, dass es zwischen Crescent City und Avalon einen Unterschied gab. Wer weiß, zwei Tage früher, zwei Grad wärmer, und sie hätte sich nicht so fehl am Platz gefühlt.
Doch Laurel reckte tapfer das Kinn und ging zum Rand des Balkons. Als sie Tamani am Arm fasste, fiel ihr Blick auf seine Hände. Offenbar hatte er unterwegs ein Paar schwarze Samthandschuhe übergezogen. Das hieß, dass es ihm auch aufgefallen war. Aber Laurel wollte nicht länger darüber nachdenken, schaute nach unten und richtete ihre Aufmerksamkeit von den fantastischen Verzierungen auf die Elfen selbst. Ihre Tracht war wesentlich schlichter und Laurel entdeckte viel weniger Schmuck an ihnen, aber die Frühlingselfen schienen zufrieden zu sein. Sie umarmten einander, hoben voller Freude die Kinder in die Luft und begrüßten sich fröhlich. Selbst aus dieser Entfernung konnte Laurel Gelächter und Gekicher hören.
»Sind das alles Frühlingselfen?«,
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