Elfenlied
Oasentälern schärft sich der Verstand. Das Auge lenkt vom klaren Denken nicht ab. Die Ideen für fast all seine berühmten Schriften kamen Elija in den Jahren, die wir in der Steinwüste verbrachten. Auf welcher Seite stehst du? , Geboren zu herrschen? , Von der Dialektik der Ohnmacht oder Kobolde zum Lichte empor , entstanden in unserem Exil.
Es folgte die Zeit, in der Elija seine Ideen nach außen trug. Er war ein sehr guter Pfadfinder geworden. Doch ohne mir schmeicheln zu wollen, ich war noch besser. In der Kunst, Zauber zu wirken, übertraf ich ihn auf allen Gebieten. Vielleicht war es mir in die Wiege gelegt worden, vielleicht lag es auch daran, dass Elija im Geiste immer bei seiner Revolution war.
Ich glaube, sieben Jahre verstrichen, bevor er sich zum ersten Mal aus der Abgeschiedenheit der Wüste hervorwagte. Für ein endloses halbes Jahr blieb er verschwunden. Als er zurückkehrte, war er abgemagert. Sein Fell hatte keinen Glanz mehr, und ein Fieber zehrte an seinen Kräften. Ich pflegte ihn drei Wochen lang. Und immer, wenn seine Kraft reichte, um zu reden, erzählte er mir von den zahllosen Koboldsiedlungen und Koboldschenken, die er besucht hatte. Und von dem Mann, der künftig seine Worte in Blei gießen sollte. Aber er schien auch gejagt worden zu sein. Darüber sprach er nicht. Doch seit dieser ersten Reise gebrauchte er falsche Namen für alles und jeden, um es den Häschern, wie er sie nannte, schwerer zu machen. Mich ernannte er zur Kommandantin Schlüsselchen . Früher hatte er mich auch sein Rotes Schlüsselchen genannt. Er spielte damit auf Gromjans Rede an, in der der Alte mich zum Schlüssel aller Ereignisse auserkoren hatte. Und warum er mich in zärtlichen Stunden Rotes Schlüsselchen nannte, wird der geneigte Leser sicher auch ohne mein Zutun erraten. Jedenfalls, wenn er sich nicht in den üblichen Metaphern der Liebeslyrik verfängt.
Gromjan stand Elijas Taten zunehmend skeptischer gegenüber. Nicht, dass er die Ziele an sich infrage stellte. Aber er schätzte die neuen Wege nicht, die Elija einschlug. So glaubte er nicht, dass einer von uns den Sturz der Elfen erleben würde. Er wollte die Dinge langsam angehen und hielt nichts von den versponnenen Geheimnamen, die Elija ersann. Stattdessen wies er mich darauf hin, dass die Lutin sich schon seit Jahrhunderten darauf verstanden, Geheimnisse offen bei sich zu tragen, sodass jeder sie sehen und doch kaum jemand sie zu erkennen vermochte. Er unterwies mich darin, wie man in den wechselnden Mustern der prächtigen Stickereien auf den Westen der Frauen geheime Nachrichten verbarg. Ich hatte mit Elija einigen Ärger, weil ich mich anstrengte, diese Geheimschrift zu erlernen. Er hielt sie für überholt, für zu kompliziert und zu langsam. Zumindest mit Letzterem hatte er recht. Eine solche Weste zu besticken, mochte ein halbes Jahr dauern. Aber ich hatte meine eigenen Gründe zu lernen und ließ mich durch sein Gerede nicht davon abbringen.
Auf seine zweite längere Reise nahm Elija mich mit. Er stellte mich dem Schwarzen vor, jenem Kobold, der unsere Flugschriften druckte und auch wesentlichen Anteil daran hatte, dass sie verbreitet wurden. Es war eine Zeit voller Angst und Abenteuer. Und beides beflügelt einen zu unvergleichlichen Liebesnächten. Es ist die Furcht, dass es das letzte Mal sein könnte, oder das Hochgefühl, einer Gefahr entronnen und unbesiegbar zu sein. Beides lässt die Frucht der Liebe süßer werden.
Gromjan haben wir enttäuscht. Er konnte Elija nachsehen, dass er gegangen war. Aber dass auch ich ging, hat er mir nicht verziehen. Der Klan brauchte Pfadfinder. Und wir beide waren die besten aus der jungen Generation. Wie aus Trotz führte er die Herde zurück ins Windland. Zunächst ging alles gut. Aber ich glaube, es war die Herde, die auffiel, nicht ich!
Auf meinen Kopf war inzwischen in sieben Elfenfürstentümern ein Preis ausgesetzt worden. Doch sie kannten meinen Namen nicht, sie wussten nur um Kommandantin Schlüsselchen. Und sie wussten, dass ich eine Lutin war. Fast alle übrigen Klans unseres Volkes waren inzwischen von Elijas Ideen angesteckt. Es gab kaum eine Koboldsiedlung, in der seine Streitschriften nicht im Verborgenen zu finden waren.
Die Elfen und ihre Büttel reagierten immer entschiedener. Besonders schlimm war es in Arkadien. Fürst Shahondin ließ mehrfach verwirrte Kobolde , wie er sie nannte, in aller Öffentlichkeit hinrichten. Er begriff nicht, dass er damit unserer Sache einen Gefallen
Weitere Kostenlose Bücher