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Elfenlied

Elfenlied

Titel: Elfenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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tat. Jeder Tote brachte hundert neue Rebellen.
    In dieser Zeit wechselte ich oft meine Gestalt. Eine Lutin erlaubte ich mir fast nie zu sein. Ein Fuchskopf machte einen damals zum Verdächtigen, selbst wenn man nur am Wegesrand saß und in Frieden ein Pfeifchen rauchte. Die übrigen Koboldvölker aber trugen rote Mützen, wenn sie zu erkennen geben wollten, dass sie unserer Sache angehörten. Elija behauptete, sie täten es, um unser rotes Fell nachzuahmen.
    Jetzt, mit dem Abstand der Jahre, sehe ich manche Dinge, die ich damals getan habe, in einem neuen Licht. Ein Leben galt uns zu wenig! Wir hätten mehr auf Gromjans Rat hören sollen. Wir wären auch langsamer zu unserem Ziel gelangt. Allein aus meinem Klan verschwanden in den Jahren der heimlichen Revolte drei Lutin in den Kerkern der Elfenfürsten. Was mit ihnen geschah, wurde bis heute nicht aufgeklärt.
    Mich ereilte mein Schicksal auf Shandrals Verlobungsfest. Ich war dort, um mich mit einigen der Spinnenmänner zu treffen, die er in seine Leibwache aufgenommen hatte. Diese Kobolde aus den Mondbergen wurden als unbestechlich angesehen. Ihre Treue galt nicht ihrem Herrn, sondern dessen Gold. Aber da das Fürstenhaus von Arkadien dank der Ausbeutung von uns Kobolden über nahezu unermessliche Schätze verfügte, gab es keinen Grund, sich um die Loyalität von Spinnenmännern Sorgen zu machen. Zumindest glaubten die Elfen das in ihrer maßlosen Überheblichkeit.
    Ich werde dieses Fest nie vergessen. Kurz zuvor hatte ich mich mit Elija gestritten. Wir hatten eine kleine Überraschung vorbereitet, aber er wollte fort. Ich hingegen bestand darauf, Shandrals Gesicht zu sehen. Elija ging …
    Ich mischte mich unter die zahllosen Kobolde des Hauspersonals. Ich musste es einfach miterleben. Zwei Monde lang hatte ich meinen neuen Zauber erprobt, hatte Dutzende kleiner Torten dabei zerstört. Es war ein unvernünftiger Streich, so wie damals, als ich mit Bollo loszog, um die trächtige Katze in das Bett zu stecken. Aber solche Dinge zu tun, liegt nun mal in meiner Natur, und wenn es mich überkommt, widersetze ich mich jeglichen Argumenten.
    Also war ich zugegen, als sich die Fürsten Albenmarks auf Shandrals Fest versammelten. Leylin wirkte noch ebenso traurig wie damals, als Shandral mit seinem Werben um sie begonnen hatte. Aber er war ganz in seinem Element. Kaum wich er von der Seite einer blassen Elfe, die nur ein schlichtes schwarzes Kleid trug. Seltsamerweise ging sie inmitten der Festgesellschaft barfuß. Als Einzige! Ihr Gesicht verbarg sie hinter einem Gazeschleier. Allein die dunkelgrünen Augen und die fein geschwungenen, tiefroten Lippen waren deutlich zu erkennen. Einmal kam ich in ihre Nähe. Sie verströmte einen schweren, irgendwie verstörenden Duft, ein Parfüm, wie ich es nie zuvor gerochen hatte. Und ich bildete mir schon damals einiges auf meine Nase ein. Erst von den anderen Dienern erfuhr ich, wer sie war: Alathaia, die Elfenfürstin, die meinen Vater hatte hinrichten lassen und vor der meine Mutter so verzweifelt geflohen war.
    Elija war mit allen Kobolden, die geholfen hatten, die große Festtorte zu backen, längst auf der Flucht. Ihre Familien hatte er mitgenommen. Ich hätte bei ihnen sein sollen. Stattdessen stand ich auf einer Galerie, hoch über dem Festsaal, als Shandral den silbernen Säbel nahm, der eigens für diesen Tag geschmiedet worden war. Man musste ihm lassen, dass er sich auf stilvolle Auftritte verstand. Er trug Blassblau an diesem Tag, eine Farbe, die wunderbar mit seinem langen, blonden Haar harmonierte. Leylin war in Grün gekleidet. Die beiden gaben ein hübsches Paar ab. Und Shandral hatte sich zusammengerissen. Nirgends auf der Festtafel waren abgeschnittene Koboldhände zu entdecken.
    Die Torte war nach Koboldmaßstäben groß wie ein Haus. Er hob den Säbel hoch über den Kopf, um sie mit einem schwungvollen Streich anzuschneiden. Ich nagte vor Ungeduld an meiner Lippe.
    Kaum dass die Klinge in der Torte versank, gab diese einen Laut von sich, der an einen Hornschildechsenfurz erinnerte. Unsäglicher Gestank verbreitete sich, während das Zuckergebäck scheinbar zum Leben erwachte. Wie ein wütender Vulkan schleuderte es Sahne in den Festsaal und dazu Flugblätter. Es war das neueste Pamphlet Elijas, ein Traktat wider die Völlerei und Trunksucht. Auf den ersten, flüchtigen Blick war es ein wohlmeinender Rat, wie ein gesittetes Leben zu führen sei. Aber man musste nicht sehr scharfsichtig sein, um hinter den Worten

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