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Elfenlord

Elfenlord

Titel: Elfenlord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brennan
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Gefangenschaft erzählen, von der Freiheit, die ihnen von Charaxes geschenkt worden war, von Freud und Leid. Ihr Gesang war übervoll mit Gefühlen, die fast zu schwer zu ertragen waren.
    Dann, eine nach der anderen, verstummten die Stimmen, bis nur noch eine einzige Frau sang. Henry hob den Kopf, um zu sehen, wer sie war, und entdeckte sie schließlich, ein plumpes Mädchen, kaum älter als er selbst, das ihre Augen fest geschlossen hielt und ihren Kopf zurückgeworfen hatte, als sie den Rest des Liedes zu Ende sang.
    Das Mädchen sang weiter, während vier Männer auf den Platz kamen und zwei lange Stangen trugen, zwischen denen eine kleine hölzerne Truhe an Lederbändern herabhing. Henrys Herz machte einen Sprung. Was dies die Lade der Euphrosyne? Er beugte sich vor, um einen besseren Blick darauf zu erhaschen, aber andere um ihn herum taten dasselbe und versperrten ihm wieder die Sicht. Als die Männer die Truhe ehrfurchtsvoll auf den Boden herabließen, konnte er sehen, dass sie auf jeden Fall sehr alt sein musste, vielleicht sogar so alt, dass es die ursprüngliche Lade sein konnte. Viel konnte er nicht erkennen, denn das Licht wurde schwächer, und das Ding stand ziemlich weit von ihm entfernt; außerdem wuselten die Männer, die die Lade getragen hatten, weiter um sie herum, entfernten die Lederriemen und platzierten sie gemäß dem Ritual. Dennoch schien, soweit er sehen konnte, die hölzerne Oberfläche mit metallenen Intarsien verziert zu sein, wahrscheinlich sogar mit Silber und Gold, obwohl es auch Stahl und Messing sein konnte.
    Der Gesang brach ab. Henry kam es so vor, als hielte der ganze Stamm gemeinsam den Atem an. Die vier Männer schwärmten aus und nahmen die Stangen mit. Zu seiner Überraschung hatten sie eine Art Klapptisch aufgestellt, und die Lade stand jetzt in Brusthöhe darauf.
    Es gab noch eine Pause, dann ein Gedränge zu seiner Rechten, als die Stammesmitglieder Platz machten, um eine Frau durchzulassen. Anders als bei den anderen war ihr Körper nicht bemalt. Stattdessen trug sie ein schimmerndes goldenes Gewand, das ihr von der Schulter bis zu den Knöcheln reichte und vielleicht sogar aus Seide gewebt war. Die Wirkung war erstaunlich   – sie war die Erste der Luchti, die Henry bislang gesehen hatte, die überhaupt etwas anhatte   – und diese Wirkung wurde noch mächtig verstärkt durch die silberne Maske, hinter der sie ihr Gesicht verbarg. Sie ging mit erhobenem Haupt auf die Lade zu.
    Neben Henry murmelte ein Mann: »Euphrosyne   …« Er sprach den Namen so aus, wie es wohl ein Grieche getan hätte:
Eu-froh-sün-äh.
Sofort wiederholte sein Nachbar das Wort, und dann wurde es zu einem leisen Gesang: »Euphrosyne   … Euphrosyne   … Euphrosyne   …«
    Während die Frau auf die Lade zuging, bewegten sich die Stangenträger, um sie zu eskortieren, wie stolze Bodyguards oder Priester. Als sie den Klapptisch erreichte, fiel sie   – die Arme flehend nach oben gereckt   – auf die Knie. »Charaxes!«, rief sie mit heller, klarer Stimme. »Charaxes!« Aus irgendeinem Grund erinnerte sich Henry daran, dass ihm Lorquin erzählt hatte, diese Euphrosyne sei erst zwanzig Jahre alt.
    Die Menge übernahm den Ruf. »Charaxes! Charaxes! Charaxes!«
    Die Lade begann zu glühen.
    Henry blinzelte. Eine Reaktion der Lade war das Letzte, was er erwartet hatte. Dies war offenkundig ein religiöser Augenblick für die Luchti, aber Henry, der der Anglikanischen Kirche angehörte, war noch niemals einer glühendenLade begegnet. Ihm kam der zynische Gedanke, dass Euphrosyne oder ihre Priester das vielleicht technisch arrangiert haben könnten. Dann fiel ihm wieder ein, dass dies die Luchti waren, die nackt durch die Wüste zogen. Sie besaßen wohl kaum irgendeine Technologie für eine glühende Lade.
    Euphrosyne lehnte, ungeachtet des Glühens, ihren Kopf an die Lade, als lauschte sie. »Charaxes spricht zu ihr«, murmelte der Mann neben Henry. Es war eine nüchterne Feststellung und klang so, als sei das alles mehr oder weniger Routine. Aber dann stand die maskierte Frau auf und wandte langsam den Kopf, als suchte sie die Gesichter der Menge ab, und sofort hörte man ein überraschtes Murmeln, das abrupt stoppte.
    Wegen ihrer Maskierung war es nicht eindeutig zu erkennen, aber Euphrosyne schien jemanden in Henrys Nähe anzublicken. Sie setzte sich in Bewegung und überquerte den Platz. Plötzlich kam Henry der Gedanke, sie könnte vielleicht auf
ihn
zugehen.
    Er schluckte. Dann stand

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