Elfenmeer: Roman (German Edition)
doch nur das Wasser, nur das Wasser …
Noch einmal konzentrierte er sich, öffnete sein Innerstes, erweckte die Magie in sich und griff hinaus, um die Kraft der Natur zu finden. Dieses Mal aber lag sein Hauptaugenmerk auf dem Eis, und er stellte sich vor, Teil davon zu werden, hinabzufließen an jene Stelle, wo Marinel lag. Er sah die Steilwanddeutlich vor sich, doch er blickte durch einen goldenen Schein, der seine Augen bedeckte – die Magie der Erde. Ein weiterer Schrei entfuhr ihm und wurde von den Felswänden zurückgeschleudert. »Komm schon!«, brüllte er und atmete tief ein, um weitere Kraft zu sammeln. Wasser, eisig kalt, fließend, plätschernd, eins werden mit dem Wasser, zu Eis erstarren, die glatte Wand, eine Stufe … Doch die Eiswand blieb, wie sie war, veränderte sich nicht, fügte sich nicht seinem Willen. Valuar trat schreiend gegen den Schnee und keuchte. »Na los!«, rief er wieder und wieder und versetzte seinen Körper in Anspannung. Er musste es schaffen, musste da hinunter, zu Marinel!
Finsternis zog auf, die schwarze Decke der Nacht umhüllte den Berg, doch Valuar gab nicht auf.
Zu Wasser werden, eins werden mit dem Element, davonfließen, sich auflösen … Da war eine Mauer, sie versperrte ihm den Zugang zu der elementaren Macht. Er stemmte sich dagegen, musste sie einreißen und eintauchen in die Kraft. Keuchend und stöhnend drückte er dagegen, holte alles aus sich heraus und sank schließlich in die Knie. In seinem Kopf drehte sich alles, der Berg schien sich im Kreis zu bewegen, und so schloss Valuar die Augen und lauschte einige Augenblicke lang nur seinem zischenden Atem. Er schwebte in der Dunkelheit, war nur noch die aufgelöste Form seiner selbst.
Es war alles verloren. Er konnte nicht zu ihr. Er hatte sie fallen lassen. Nein, er konnte es noch schaffen. Vielleicht war sie noch am Leben.
Allmählich löste sich seine Anspannung wieder, seine Glieder wurden schlaff, und Valuar ließ sich nach vorn sinken, sodass sein Gesicht in den Schnee fiel. Die Kälte fühlte sich angenehm auf seiner erhitzten Haut an. Am liebsten hätte er sich im Schnee eingegraben und wäre … eins damit geworden.
Valuar fuhr hoch. Darin lag der Schlüssel! Er war mit Gewalt gegen das Element vorgegangen, doch er musste sich ihm sanft nähern.
Kniend legte er seine Hände auf die kalte Oberfläche und konzentrierte sich auf einen ruhigen Atem, dann auf einen beständigen Herzschlag. Er lauschte dem Pochen, bis er ganz und gar davon erfüllt wurde. Anschließend stellte er sich noch einmal die Eiswand in der Gletscherspalte vor und auch, wie sich Stufe um Stufe bildete. Zuerst eine, dann die nächste. Sie wuchsen heraus, formten sich. Es waren kaum mehr als handbreite Vorsprünge und Vertiefungen, aber sie waren begehbar. Er sah sie deutlich vor sich, durch einen silbernen Schleier – der Magie des Wassers!
Valuar nahm die Hände vom Schnee und atmete auf. Das Knistern in der Luft flaute ab, und einen Moment verharrte er reglos. Er fürchtete, sich all das nur eingebildet zu haben, doch als er wieder an den Abgrund trat und hinabblickte, entdeckte er tatsächlich Stufen im Licht der Sterne. Sie waren Wirklichkeit.
Nun gab es für ihn kein Halten mehr. Valuar machte einen vorsichtigen Schritt die erste Stufe hinab und hielt sich dann mit den Händen an der Abbruchkante fest. So kletterte er langsam immer weiter hinab, Stufe für Stufe, die Finger in die kleinen Vertiefungen vergraben, um Halt zu finden. Ein falscher Schritt, und er fiele in die Tiefe, aber er würde nicht ausrutschen. Er würde Marinel da herausholen. Es war ihm unmöglich, etwas zu sehen, doch er tastete sich vorwärts, einen Schritt nach dem anderen.
Die Enge im Gletscherspalt war beängstigend. Wenn er sich zur anderen Seite streckte, könnte er dort sogar die Wand berühren. Es wurde immer schwieriger, sich festzuhalten, und auf halber Strecke musste er eine Pause einlegen, um die Händean seinen Hosen zu reiben, die Finger zu beugen und sie kurz unter seinem Umhang zu wärmen. Dann ging er weiter und stellte mit Erleichterung fest, dass die Stufen hier ausgeprägter und leichter zu begehen waren, der Spalt führte auseinander. Mit nun zügigerem Tempo bewältigte er die letzten Schritte und erreichte schließlich den Vorsprung, auf dem Marinel regungslos lag. Auf den Knien tastete er sich zu ihr vor und suchte nach ihrem Hals. Er fand einen schwachen Herzschlag, doch ihr Gesicht fühlte sich an, als wäre es bereits zu Eis
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