Elfenmeer: Roman (German Edition)
kann dich jetzt nicht gehen lassen, Avree. Dafür liebe ich dich zu sehr.«
Einen Moment lang blickte er nur in die vertrauten Augen, sah alles vor sich, was er verloren hatte – doch nicht ohne Grund. Es gab jemanden, den er dafür zur Rechenschaft ziehen konnte.
Mit zusammengebissenen Zähnen packte er ihre Arme, so fest, dass er das Gefühl hatte, sie würde unter seinen Händen zerbrechen. Dabei meinte er selbst auseinanderzufallen.
Dann stieß er sie mit aller Kraft zur Seite, sodass sie über den Boden schlitterte und gegen den Stützbalken fiel.
Ihr Stöhnen schürte den Hass in ihm. Hass auf sich selbst und auf die Königin. Doch es hielt ihn nicht auf. Ohne sich umzudrehen, rannte er zurück aufs fast verlassene Oberdeck, das finster unter dem Halbmond lag. Von dort sprang er ohnezu zögern ins Wasser, die wenigen verdutzten Blicke der Wachmannschaft ignorierend.
Die Freiheit des Falls und die anschließende Kühle in der Schwerelosigkeit des Meeres taten ihm gut, sie konnten seinen Zorn jedoch nicht besänftigen.
Ich brauche euch! , sandte er seine Gedanken in die Weite des Ozeans. Er blickte in die Dunkelheit und versuchte, im Wasser etwas auszumachen, doch er konnte nichts erkennen.
Überbringt dem Korallenfürsten eine Nachricht! Er soll den Palast öffnen. Wollt ihr die Königin vernichtet sehen, tut, was ich euch sage!
Er musste nicht lange warten, da teilte sich das Meer und Avree lief die Treppe zum Palasttor hinab. Die Meerjungfrauen hatten Koralle die Nachricht überbracht. Sie konnten über weite Entfernungen mit ihm kommunizieren, und der Korallenfürst musste gewusst haben, dass es dringend war. Schließlich hatte Avree ihm gesagt, dass er erst am nächsten Morgen in den Palast zurückkehren würde – er hatte gedacht, er könnte die Nacht allein mit Nayla auf dem Schiff verbringen. Doch dass er jetzt eine Nachricht sandte, musste seinem Anführer bereits alles gesagt haben.
In den blühendsten Farben stellte Avree sich vor, was er der Königin für die Zerstörung seiner Liebe antun würde. Sollte er es schnell oder langsam machen? Sie mit einem Schlag oder nach und nach verbrennen? Wenn sie erst tot wäre, könnte niemand mehr die Magie gefährden, und ein neuer Herrscher mochte gewillt sein, dem Fürsten von Riniel die Stirn zu bieten und die Menschen zu befreien.
Der Korallenfürst erwartete ihn bereits am Ende des Tunnels in der Eingangshalle. Seine Miene zeigte Besorgnis, aber Avree hatte kaum einen Blick für ihn übrig. Die Königin stand ein Stück weiter hinter ihm, ein paar Menschen tummeltensich in der Halle, doch die würden nicht zu Schaden kommen. Zumindest nicht, wenn sein Plan aufging.
Avree hob die rechte Hand, ein Feuerball loderte auf. Er holte aus und schleuderte ihn durch den finsteren Tunnel direkt auf die Königin zu. Er hatte beschlossen, dass auch ein schneller Tod dieser Intrigantin ihn zufriedenstellen würde.
Die Steinwände des Torgewölbes erhellten sich im Schein seiner Flammen, und Avree beobachtete das Licht, das sich nach der Königin ausstreckte.
Rufe erschollen, der Korallenfürst fuhr herum, rannte, schlang seine Arme um die Königin und riss sie zu Boden.
Der Feuerball krachte gegen die gegenüberliegende Hallenwand und ließ funkelnde Korallensplitter regnen.
Avree stieß einen wütenden Schrei aus. Er rannte in die Halle, vorbei an ein paar Menschen, packte Koralle an der Weste und zog ihn von der Königin herunter, dann erweckte er das Feuer von neuem.
Die Königin starrte aus schreckgeweiteten Augen zu ihm hoch, das Feuer spiegelte sich in ihrem silbergrauen Blick.
»Nein!« Koralle rammte ihn von der Seite, und diesmal war es Avree, der zu Boden ging. Da er Koralle nicht verletzen wollte, ließ er das Feuer erlöschen, und am Rande nahm er wahr, wie sich die Halle mit Zuschauern füllte.
»Was tust du?!«, brüllte Koralle und zog ihn auf die Beine. Er konnte unglaublich stark sein, wenn er wollte, und Avree wehrte sich nicht. Mit nacktem Oberkörper und keuchend vor Zorn stand er inmitten der Menge und starrte zur Königin, die sich ebenfalls wieder aufgerichtet hatte. Sie erwiderte seinen Blick mit derselben ausdruckslosen Maske, die sie stets zur Schau trug, und Avree bemerkte kaum, wie sein Körper in Flammen aufging.
»Avree, nein!« Koralle stellte sich zwischen ihn und die Königin.Avree erkannte ihn kaum durch das orangefarbene Licht, und die Stimme drang nicht richtig zu ihm durch. Er wollte sie nicht hören, wollte nicht
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